Fachforum für Rechnungswesen
Rückwirkende Steuertarifänderung sowie Jahressechstelfiktion im Falle von Kurzarbeit - Druckversion

+- Fachforum für Rechnungswesen (https://org.boeb.at/forum)
+-- Forum: BÖB News (https://org.boeb.at/forum/forumdisplay.php?fid=1)
+--- Forum: News & wichtige Infos (https://org.boeb.at/forum/forumdisplay.php?fid=2)
+--- Thema: Rückwirkende Steuertarifänderung sowie Jahressechstelfiktion im Falle von Kurzarbeit (/showthread.php?tid=1746)



Rückwirkende Steuertarifänderung sowie Jahressechstelfiktion im Falle von Kurzarbeit - WIKU1 - Wilhelm Kurzböck - 30.06.2020

Rückwirkende Steuertarifänderung sowie Jahressechstelfiktion im Falle von Kurzarbeit für das Jahr 2020 - sonstige geplante Änderungen bei der Lohnsteuer

Es wird Konjunkturstärkungsgesetz 2020 (KonStG 2020) lauten und auch der Personalverrechnung sowie den Softwareherstellern erneut Flexibilität abringen:

1. Rückwirkende Absenkung des Eingangsteuersatz mit Aufrollverpflichtung:
Der sogenannte "Eingangsteuersatz" (betreffend Einkommensteile über € 11.000,00 bis € 18.000,00) wird von 25 % auf 20 % abgesenkt und zwar rückwirkend per 1. Jänner 2020 ==> § 33 Abs. 1 lit. a EStG 1988.
Da diese Tarifänderung rückwirkend erfolgt, werden die Arbeitgeber/innen auch dazu verpflichtet, sie rückwirkend im Aufrollwege zu berücksichtigen. Dies soll nach der Kundmachung dieser Änderung im Bundesgesetzblatt (damit rechne ich ca. Ende Juli 2020) "so bald wie möglich (asap)" erfolgen. Dabei lässt der Gesetzgeber aber Spielraum bis Ende September 2020. Voraussetzung für die Aufrollverpflichtung sind das Vorliegen der technischen und organisatorischen Voraussetzungen dazu (also auch das Umsetzen durch die Software). Erfasst sind jene Arbeitnehmer/innen, deren Arbeitsverhältnisse im Monat der Aufrollung (spätestens September 2020) noch aufrecht sind ==> § 124b Z 360 EStG 1988.

2. Verlängerung der Anwendung des Spitzensteuersatzes (55 %) bis 2025 ==> § 33 Abs. 1 lit. b EStG 1988

3. Erhöhung des Zuschlages zum Verkehrsabsetzbetrag sowie des SV-Bonus
Sowohl der Zuschlag zum Verkehrsabsetzbetrag als auch der sogenannte "SV-Bonus" (Teil einer möglichen Negativsteuer bzw. "Einkommensteuer unter NULL") werden ab dem Kalenderjahr 2020 von € 300,00 auf € 400,00 angehoben. Dies erfolgt aber nur im Rahmen der Veranlagung (erstmalig für die Veranlagung für das Kalenderjahr 2020) ==> § 33 Abs. 5 Z. 3 sowie § 33 Abs. 8 Z. 2 und § 124b Z 362 EStG 1988.

4. Verzicht auf Familienbonus PLUS wird rückwirkend ermöglicht
Bis zu 5 Jahre nach dem Eintreten der Rechtskraft des relevanten Veranlagungsbescheides ist es möglich, dass der Antrag auf Familienbonus PLUS durch eine/n Steuerpflichtige/n zur Gänze zurückgezogen wird, damit der andere Elternteil einen höheren Anteil des Familienbonus PLUS erhält (oder den gesamten Anteil). Wird von dieser neuen Möglichkeit Gebrauch gemacht, so bedeutet dies, dass der andere Elternteil den nun möglichen höheren Betrag geltend machen kann (aber auch geltend machen muss). Es handelt sich um ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO für beide (für die Person, die "zurückzieht" als auch für jene Person, die dann den "neuen Betrag" geltend machen möchte). Dieses Instrument ist ausschließlich für den Rückzug (also Verzicht) gedacht, nicht für eine "rückwirkende Änderung im Sinne einer betraglichen Herabsetzung"). Von diesem "Verzicht" kann erstmalig für das Kalenderjahr 2019 Gebrauch gemacht werden (= das Kalenderjahr, in dem erstmalig der Familienbonus PLUS eingeführt wurde) ==> § 33 Abs. 3a Z 3 EStG 1988 sowie § 124b Z 361 EStG 1988.

5. Entschärfung der Kurzarbeitsfalle betreffend Jahres- und Kontrollsechstel bzw. BUAG-Jahres- und BUAG-Kontrollsechstel:

Aus dem Text der Erläuterungen zur Regierungsvorlage:
Aufgrund der Corona-Krise waren und sind im Jahr 2020 viele Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Da bei der Berechnung des Jahressechstels auf den zugeflossenen laufenden Bezug abzustellen ist und dieser in Monaten mit Kurzarbeit geringer ist, haben jene Arbeitnehmer aufgrund der Kurzarbeit auch ein geringeres Jahressechstel. Der 13. und der 14. Bezug (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) werden hingegen bei Kurzarbeit üblicherweise nicht gekürzt und sind vom Arbeitgeber in voller Höhe (= 100%) zu leisten.
Damit es in diesen Fällen nicht zu so genannten Sechstelüberschreitungen kommt und die sonstigen Bezüge – insbesondere das Weihnachtsgeld – daher teilweise nicht mit den (begünstigten) festen Steuersätzen nach § 67 Abs. 1 (z. B. mit 6%) zu versteuern wären, sondern der über dem Jahressechstel liegende Teil wie der laufende Bezug nach dem Einkommensteuertarif zu versteuern wäre, soll
gegenständliche Sonderregelung für das Jahr 2020 geschaffen werden.
Für Zeiten der Kurzarbeit soll – unabhängig davon, wie lange der Arbeitnehmer in Kurzarbeit war – bei der Berechnung des Jahressechstels ein pauschaler Zuschlag berücksichtigt werden können. Das Jahressechstel kann demnach für diese Arbeitnehmer pauschal um 15% erhöht werden.
Beispielsweise kann bei Kurzarbeit von Mitte März bis Mitte Juni 2020 ein auf Basis der tatsächlich zugeflossenen laufenden Bezüge errechnetes Jahressechstel in Höhe von 4.000 Euro um 15%, also um 600 Euro erhöht werden, sodass ein Jahressechstel in Höhe 4.600 Euro herangezogen werden kann.
Diese Sonderregelung gilt nur im Zusammenhang mit Kurzarbeit für das Kalenderjahr 2020 und kann nur bei aufrechten Dienstverhältnisse zur Anwendung kommen. Der pauschale Zuschlag von 15% ist ebenso bei der Berechnung des Kontrollsechstels, bei der Aufrollung nach § 77 Abs. 4 sowie bei Anwendung des Zwölftels im Bereich des BUAG anzuwenden ==> § 124b Z 364 EStG 1988.

Praxisanmerkung:
Genau diesen Vorschlag haben wir im Zuge der Diskussionen, wie man das Problem der verkürzten laufenden Kurzarbeitsbezüge bei gleichzeitig nahezu ungekürzten Sonderzahlungen eingebracht. Er erinnert nämlich an die mit 31.12.2015 "versenkte" Begünstigung des seinerzeitigen "Sonderjahressechstel" für Prämien für Diensterfindungen bzw. Prämien für Verbesserungsvorschläge, wo genau derselbe Weg seinerzeit beschritten worden war (abgesehen von der Tatsache, dass es sich dabei damals um zusätzliche Begünstigungsbeträge handelte).
Zu beachten ist aber, dass dem jeweiligen Arbeitnehmer bzw. der jeweiligen Arbeitnehmerin auch tatsächlich reduzierte laufende Bezüge im Zuge der Kurzarbeit zuflossen. Wurden also die laufenden Bezüge trotz Kurzarbeit nicht reduziert, so kommt diese Regelung nicht zur Anwendung.
Am viel kritisierten "Kontrollsechstel" (siehe auch dazu mein Beitrag in der ORF-Sendung "Konkret") wird allerdings weiter festgehalten (wenngleich auch mit dieser Aufwertung für Personen, die sich in Kurzarbeit befanden).

Zum Text und zu den Erläuterungen der Regierungsvorlage geht es hier:

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_00287/index.shtml
[url=https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_00287/index.shtml][/url]
Die Verlautbarung im Bundesgesetzblatt bleibt abzuwarten.


Dieser Text erscheint auch in der Begleit-E-Mail zur WIKU-Personal aktuell, Ausgabe Nr. 11/2020 sowie dann - eingehender analysiert - in der WIKU-Personal aktuell, Ausgabe Nr. 12/2020.