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Subunternehmer oder Arbeitnehmer im Baugewerbe – OGH teilt strenge Anforderungen des VwGH zum Vorliegen eines Werkvertrages nicht - Druckversion

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Subunternehmer oder Arbeitnehmer im Baugewerbe – OGH teilt strenge Anforderungen des VwGH zum Vorliegen eines Werkvertrages nicht - Wilhelm Kurzböck - WIKU - 16.06.2023

Subunternehmer oder Arbeitnehmer im Baugewerbe – OGH teilt strenge Anforderungen des VwGH zum Vorliegen eines Werkvertrages nicht
 
OGH vom 09.03.2023, 9 ObA 8/23a
§ 1151 ABGB
§ 1 Abs. 1 BUAG
 
Sachverhalt:
  • Im hier zu beurteilenden Fall ging es um die Frage, ob drei Subunternehmer eines slowakischen Bauunternehmens, die auf österreichischem Boden mit Fliesenlegerarbeiten beauftragt wurden, nicht in Wahrheit als arbeitsrechtliche (echte) Arbeitnehmer anzusehen waren und daher dem BUAG-System hätten unterworfen werden müssen.
  • Diese drei Personen waren mit eigener Gewerbeberechtigung selbständig in der Slowakei unternehmerisch tätig und arbeiteten für verschiedene Auftraggeber.
  • In dem dazu schriftlich zwischen dem slowakischen Bauunternehmen und den drei Subunternehmern abgeschlossenen Werkvertrag wurde ein Entgelt von 15 EUR pro Stunde inclusive aller Abgaben und Steuern vereinbart.
  • Das Bauunternehmen bezahlte ihren Subunternehmern einen Teil der Unterkunft. Einem Subunternehmer erstattete es nach Rechnungslegung auch die Treibstoffkosten für die Anreise von der Slowakei.
  • Die drei Handwerker konnten ihre Arbeitszeit frei einteilen und waren hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort lediglich durch die Gegebenheiten und Wünsche des Kunden auf der Baustelle beschränkt.
  • Die genaue Ausgestaltung der Arbeitsweise wurde ihnen nicht vorgegeben.
  • Sie verwendeten für die Arbeiten jeweils ihr eigenes Werkzeug.
  • Alle drei sind bei der zuständigen slowakischen Sozialkasse gemeldet und dort als Selbständige versichert.
  • Nach Erfüllung dieses Auftrags waren die drei Subunternehmer nicht mehr für das Bauunternehmen tätig.
 
So entschied der OGH:
Durch alle drei Instanzen hindurch wurde festgestellt, dass hier KEINE arbeitsrechtlichen Arbeitsverhältnisse (auch im Sinne des BUAG) vorlagen, wodurch die Klage der zuständigen BUAK abgewiesen wurde.
 
Aus den Entscheidungsgründen:
 
A) Absprachen und Koordination der Subunternehmer untereinander sprachen nicht für die Eingliederung in die betrieblichen Abläufe des Bauunternehmens:
Folgenden Argumenten, welche die BUAK pro echtes Arbeitsverhältnis noch im Zuge der Revision ins Treffen führte, konnte der OGH nicht folgen:
  • Aufgrund der arbeitsteiligen Vorgangsweise der Fliesenleger lag die geforderte Einbindung in die betrieblichen Abläufe des Bauunternehmens
  • Eine grundsätzliche freie Arbeitszeiteinteilung lag schon deshalb nicht vor, weil sie sich in zeitlicher Hinsicht untereinander absprechen mussten.
 
B) Ausgestaltung der Entgeltszahlung und Höhe des Entgelts sagen wenig für oder gegen das Vorliegen eines Arbeitsvertrages aus:
  • Die Abrechnung nach Arbeitsstunden, die nach Ansicht der BUAK ein wesentliches Kriterium darstellte, welches für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sprach, wertete der OGH als nicht ausschlaggebend, weil auch beim Werkvertrag der Regiepreis nach der Arbeitszeit bemessen werden kann und dies durchaus auch häufig vorkommt.
  • Die Ausgestaltung der Entgeltzahlung hat daher nur wenig Indizwirkung für das Bestehen eines Arbeitsvertrags. Auch die Höhe des Entgelts, auf welche sich die BUAK ebenfalls bezieht, ist grundsätzlich kein Kriterium für oder gegen einen Arbeitsvertrag.
 
C) Baubranche ist bei der „vertragsrechtlichen Qualifikation“ kein Sonderfall, allerdings können die Umstände der Branche bei der Gewichtung eine Rolle spielen:
  • 1 Abs 1 Satz 2 BUAG sieht vor, dass für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne des BUAG vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend ist.
  • Deshalb sind aber nicht „andere Maßstäbe“ (wie BUAK meint) für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft in der Baubranche maßgebend, weil auch allgemein gilt, dass die rechtliche Qualifikation der Abgrenzung Arbeitsvertrag zum Werkvertrag nicht vom Willen und der Bezeichnung durch die Parteien abhängt.
  • Maßgebend ist vielmehr die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen, insbesondere die tatsächliche Gestaltung in Bezug auf die Arbeitsleistung.
  • Da die Gewichtung der einzelnen Kriterien der persönlichen Abhängigkeit immer von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt, ist dabei freilich auch die jeweilige Branche, in der das zu beurteilende Vertragsverhältnis abgeschlossen wurde, zu berücksichtigen).
 
D) Strengere Auslegungskriterien des VwGH zur Abgrenzung „Werkvertrag“ zu „Arbeitsvertrag“ werden vom OGH nicht geteilt:
  • Nach der Rechtsprechung des OGH kann beim Werkvertrag das maßgebliche Ergebnis der Arbeitsleistung, nämlich das selbständige Werk, auch im Verein mit anderen erbracht werden (7 Ob 40/05s; RS0021313).
  • Richtig ist zwar, dass der VwGH in manchen Entscheidungen für das Vorliegen eines Werkvertrags verlangt, dass bereits im Vertrag und damit im Vorhinein ein Werk individualisiert und konkretisiert wird. Demnach müsse es sich um eine in sich geschlossene Einheit Für einen Werkvertrag sei ein „gewährleistungstauglicher“ Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können, essenziell (VwGH 2012/09/0092; Ra 2018/08/0028 Rz 22 mwN).
  • Nach R. Müller (Dienstvertrag oder Werkvertrag? – Überblick über die Rspr des VwGH zu § 4 ASVG, DRdA 2010, 367 [373]) scheitern an diesem Kriterium zB in der Regel all jene Versuche, jene Dienstleistungen zu Werkverträgen umzugestalten, deren „Erfolg“ – so man einen definieren könnte – auch von einem Dritten abhängen.
  • Die Erwägungen des VwGH werden daher zwar durchaus ergänzend auch bei der Frage einer Einordnung als Arbeitsvertrag insoweit zu beachten sein, als es darum geht, ob der Vertrag tatsächlich eine Erfolgsverbindlichkeit begründet; darüber hinaus werden sie, soweit sie mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht in Einklang stehen, vom Senat nicht geteilt.