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Nein zu rückwirkender Absenkung des Steuertarifes über die Personalverrechnung
#1
Wieder einmal sorgen Regierungspläne für ambivalente Gefühlswelten.

Natürlich freut man sich darüber, wenn man als Betroffene/r durch eine Steuerabsenkung Steuern rückerstattet bekommt und das schon im laufenden Jahr.
Aber hat man seitens der Verantwortlichen die Konsequenzen auch zu Ende gedacht?

Eine rückwirkend über die Personalverrechnung abzuwickelnde Steuergutschrift hätte zB die Konsequenz, dass unsere Bemühungen um eine Mindestbruttoentgelttabelle bei der Kurzarbeit (ermittelt von einem Nettobetrag - hochgerechnet auf einen Bruttobetrag - ausgehend vom "alten Steuertarif") praktisch umsonst waren und sämtliche Berechnungen, die jetzt mühevoll rückwirkend vorgenommen werden, unter Anwendung neuer Tabellen dann ein weiteres Mal durchgeführt werden müssten.

Eine rückwirkend ermittelte geringere Lohnsteuer hat einen rückwirkend höheren Nettobetrag zur Folge. Das bedeutet weiters, dass rückwirkend Lohnpfändungen neu berechnet und neu bewertet werden müssen und das Geld dann nicht zur Gänze beim Arbeitnehmer landet, sondern er sich dieses Geld mit seinen Gläubiger/innen teilt. Eine Gutschrift in der Arbeitnehmerveranlagung bleibt ihm oder ihr im Regelfall zur Gänze.

Zahlreiche Gehaltsbestätigungen für Unterstützungen und Förderungen, die von einem bestimmten Nettobetrag abhängig sind, werden rückwirkend ungültig.
In Betrieben, in denen Nettovereinbarungen getroffen werden (zB in der Gastronomie) werden ernstzunehmende Rechtsfragen aufgeworfen werden, wie sich diese rückwirkende Veränderung auf die Auszahlung auswirkt. Denn nicht in allen Fällen profitieren von der Tarifsenkung die Arbeitnehmer/innen (nämlich dort, wo es echte Nettolohnvereinbarungen gibt, sinkt somit nachträglich dadurch der Bruttobetrag, weil man den Nettobetrag nicht verändern muss).
Jene Arbeitnehmer/innen, die zwischenzeitig heuer ausgetreten sind, profitieren jedenfalls schon einmal nicht von der rückwirkenden Aufrollung, da hier der Beschäftigungszeitraum schon abgeschlossen ist. Dies birgt aber die Gefahr, dass dann im Lohnprogramm dennoch zwei Steuertarife für das Kalenderjahr 2020 geführt werden müssen (zB wenn die betreffende Person wieder eintritt).

Jedenfalls ist der Programmieraufwand für die Softwarehäuser, die jetzt gerade dabei sind, den Payroll-Fremdkörper "Kurzarbeit" zu implementieren, von weiterem gigantischen Ausmaß.

Aus meiner Sicht wäre es daher sinnvoller, für eine befristete Dauer die Steuersätze der sonstigen Bezüge (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) von 6 % auf 1 % oder 0 % abzusenken und zwar für Auszahlungen ab dem Kalendermonat September 2020 bis Ende Dezember 2020. Dies ist weit einfacher zu administrieren.

Eine ev. weitere Steuergutschrift dann über die Arbeitnehmerveranlagung, um dort dann rückwirkend die Tarifabsenkung dem Arbeitnehmer zugutekommen zu lassen, wäre weitaus systemverträglicher und auch verständlicher.

Aber alles, was man rückwirkend in der Personalverrechnung ändert, kostet die Wirtschaft Millionen an Euro an Verwaltungsmehraufwand und bringt die Softwarehersteller, die in so kurzer Zeit so viele extrem aufwändigen Änderungen programmieren müssen, endgültig an deren Grenzen bzw. überschreitet diese schon bei Weitem.


Daher meine Bitte an die Politik: keine rückwirkende Tarifänderung über die Lohnverrechnung, sondern erst über die Arbeitnehmerveranlagung und dafür eine Absenkung des festen Steuersatzes für sonstige Bezüge (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld etc), die ab September 2020 zur Auszahlung gelangen, befristet bis Ende Dezember 2020. Sie vernichten sonst die bereits massiv angeschlagenen Personalressourcen der Softwarehersteller und erzeugen damit einen riesigen Verwaltungsaufwand in den restlichen Unternehmen.
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#2
Vielleicht ist das hier auch ein Ort der Diskussion, wie man die Wünsche der Politik (rasch mehr netto im Börsel zur Ankurbelung der Wirtschaft) mit den Nöten der Personalverrechnung und den ungeahnten Wechselwirkungen einer unterjährigen / rückwirkenden Tarifabsenkung (u.a. mit der Ermittlung Kurzarbeitsunterstützung) verbinden kann.
Da man den "monatlichen Nettoeffekt" einer Absenkung der untersten Tarifstufe(n) betraglich ermitteln kann, könnte im Stil der Effektivtabelle z.B. ab 1.7.2020 ein spezieller monatlicher Covid19-Freibetrag als "Anzahlung" auf die Tarifabsenkung kreiert werden, der aber so ausgestaltet ist, dass die Wechselwirkungen nicht eintreten.
Dieser Betrag würde erst nach Ermittlung der "normalen Lohnsteuer" abgezogen und das "normalen Netto" monatlich erhöhen.
Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung würde er dann in die ursprünglich seitens der Politik gewünschte Tarifabsenkung "umgegossen" ...
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