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Kritische Haltung zu Covid-19-Maßnahmen alleine stellt keine Weltanschauung dar
#1
OGH 9 ObA 130/21i vom 25. November 2021
§ 17 Abs. 1 Z 7 GlBG
§ 26 Abs. 7 GlBG

So entschied der OGH:


1.Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu 9 ObA 122/07t darauf hingewiesen, dass die Gesetzesmaterialien zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (ErlRV 285 BlgNR 22. GP 11) betonen, dass der Begriff „Weltanschauung“, der eng mit dem Begriff „Religion“ verbunden ist, als Sammelbezeichnung für alle ideologischen, politischen und ähnlichen Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standortes für das individuelle Lebensverständnis dient.

2. Weltanschauungen sind keine wissenschaftlichen Systeme, sondern Deutungsauffassungen in der Form persönlicher Überzeugungen von der Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen.

3. Soferne Weltanschauungen Vollständigkeit anstreben, gehören dazu Menschen- und Weltbilder, Wert-, Lebens- und Moralanschauungen.

4. Diesem Verständnis von der Weltanschauung folgte der Oberste Gerichtshof zuletzt auch in einigen Entscheidungen. Dabei betonte er, dass kritische Auffassungen ei-nes Arbeitnehmers über die derzeitige Asylgesetzgebung und -praxis in Österreich keine Weltanschauung sind (9 ObA 122/07t = WPA 17/2009, Artikel Nr. 622/2009).

5. Allfällige punktuelle Kritik eines Arbeitnehmers an personellen Missständen oder die Führung eines Gerichtsprozesses gegen den Arbeitgeber begründen ebenfalls noch keine bestimmte Weltanschauung (9 ObA 42/15i).

6. Auch dass es sich bei einer Prozesspartei, die geltend macht, bei der Überlassung eines Veranstaltungslokals diskriminiert worden zu sein, um eine Burschenschaft han-delt, ergibt in Anbetracht sehr unterschiedlich ausgerichteter Studentenverbindungen noch keine bestimmte Weltanschauung (6 Ob 38/17g).

7. Betreffend eine kritische Haltung zu COVID-19-Bestimmungen liegt die Arbeitnehmerin hier auf der Linie der zu 9 ObA 122/07t und 9 ObA 42/15i beurteilten Fälle, bei denen es ebenfalls um die kritischen Haltungen von Arbeitnehmern einerseits zur Asylgesetzgebung und -praxis in Österreich und andererseits zu Personalmissständen im Be-trieb ging. Auch dort wurde das Vorliegen einer Weltanschauung verneint.

8. Mangels Darlegung einer für die Kündigung kausalen Leitauffassung der Arbeitnehmerin „vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen“ konnte auch nicht geprüft werden, inwieweit eine solche Leitauffassung Motiv der gegenständlichen Arbeitgeberkündigung gewesen sein soll.
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