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Ungereimtheiten bei Beschlussfassung der Belegschaft auf Einhebung einer Betriebsrats
#1
Ungereimtheiten bei Beschlussfassung der Belegschaft auf Einhebung einer Betriebsratsumlage
 
OGH 8 ObA 30/19y vom 24. Juli 2019
§ 73 ArbVG
 
Sachverhalt:
·        Im vorliegenden Fall wehrte sich eine Arbeitgeberin gegen die Einbehaltung und Abfuhr der von der Betriebsversammlung beschlossenen Betriebsratsumlage, weil man den Verdacht hegte, dass der Beschluss über die Einhebung der Umlage nicht korrekt zustandegekommen waren.
·        Die Liste der Ungereimtheiten war lang, reichte aber nach Ansicht des OGH letzten Endes nicht dafür aus, den Beschluss im Nachhinein für ungültig zu erklären.
 
Die Entscheidungsgründe des OGH:
 
A) Recht auf Einhebung der Betriebsratsumlange = Alleinbestimmungsrecht:
·        Es handelt sich (auch) beim Recht auf Einhebung einer Betriebsratsumlage – um Alleinbestimmungsrechte, die der Belegschaft die autonome Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten sichern.
·        Hierin liegt auch begründet, dass der Betriebsinhaber oder sein Vertreter im Betrieb nur auf Einladung der Einberufer an der Betriebsversammlung teilnehmen kann (§ 48 Satz 3 ArbVG).
 
B) Durchführung einer „geheimen Wahl“ ist zulässig:
·        Die Stimmabgabe in der Betriebsversammlung hat gemäß § 5 Abs 4 Satz 1 Betriebsrats-Geschäftsordnung 1974 (BRGO, BGBl 1974/355 idgF) zwar grundsätzlich durch Handerheben zu erfolgen.
·        Der Vorsitzführende kann aber stets, sofern es ihm zweckmäßig erscheint, die geheime Abstimmung mittels Stimmzettels vornehmen lassen. Wird von dieser Möglichkeit Gebraucht gemacht, liegt insoweit kein Verstoß vor.
 
C) Nicht exakt eingehaltene Beginn- und Endzeit der Betriebsversammlung – kein „tragischer Verstoß“:
·        Dass die bekanntgegebenen Beginn- und Endzeiten der Betriebsversammlung nicht strikt eingehalten und bereits offenbar ein paar Minuten verfrüht oder verspätet Stimmabgaben erfolgten, stellt jedenfalls keinen Verstoß gegen elementarste Grundsätze einer Wahl (bzw Abstimmung) dar.
 
D) Wähler trägt sich im Zuge der Stimmabgabe in Liste ein ohne Vorlage eines Ausweises – kein „tragischer Verstoß“:
·        § 67 Nationalrats-Wahlordnung sieht vor, dass der Wähler beim Wahlvorgang der Wahlbehörde eine Urkunde oder eine sonstige amtliche Bescheinigung vorzulegen hat, aus der seine Identität einwandfrei ersichtlich ist, etwa und insbesondere einen amtlichen Lichtbildausweis.
·        Bei Nichtbesitz eines solchen Dokuments ist er nur dann zur Abstimmung zuzulassen, wenn er der Mehrheit der Mitglieder der Wahlbehörde persönlich bekannt ist und kein Einspruch erhoben wird.
·        Eine derartige Vorschrift ist für Betriebsversammlungen nicht vorgesehen. Es ist grundsätzlich von einer beabsichtigten Lücke auszugehen; sind doch die Arbeitnehmer dem Wahlvorstand häufig ohnehin persönlich bekannt.
·        Der Umstand, dass im vorliegenden Fall keine Identitätsüberprüfung bei Einwurf des Stimmzettels in die Wahlurne durchgeführt wurde, sondern sich die Abstimmenden selbst in die aufliegende Mitarbeiterliste eintrugen, jedenfalls keine so massive Verletzung elementarster Grundsätze des Betriebsversammlungsrechts dar, welche von der Arbeitgeberin geltend gemacht werden könnte.
 
E) Unterlassung der Beschlussfähigkeit durch Vorsitzenden è – kein „tragischer Verstoß“:
·        Gemäß § 73 Abs 2 2. Halbsatz ArbVG ist zur Beschlussfassung über die Einhebung und Höhe der Betriebsratsumlage die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der stimmberechtigten Arbeitnehmer erforderlich.
·        Gemäß § 5 Abs 1 Satz 4 BRGO hat der Vorsitzführende bei Beginn der Betriebs-(Gruppen-, Betriebshaupt-)Versammlung, in der Beschlüsse gefasst werden sollen, die Beschlussfähigkeit festzustellen.
·        Im vorliegenden Fall wurde § 5 Abs 1 Satz 4 BRGO zwar nicht entsprochen, es nahmen aber mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin an der geheimen Abstimmung teil.
·        Die nicht erfolgte Feststellung der Beschlussfähigkeit stellte keine Verletzung elementarster Grundsätze des Betriebsversammlungsrechts, die von der Arbeitgeberin geltend gemacht werden konnte.
 
F) Im hier nicht vorliegenden Fall der ungültigen Beschlussfassung über Einhebung der BR-Umlage: Arbeitnehmer müsste BR-Fonds auf Rückzahlung klagen:
·        Das ArbVG enthält keine Regelungen über eine Anfechtung von Entscheidungen der Betriebsversammlung.
·        Ähnlich der Willensbildung des Betriebsrats ist der Arbeitgeber weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die innere Willensbildung der Betriebsversammlung durchzuführen.
·        Für den Fall, dass der Beschluss zur Einhebung einer Betriebsratsumlage ungültig zustande kam, kann der Arbeitnehmer, dem die Umlage in Abzug gebracht wurde, nicht den Arbeitgeber belangen, der gemäß § 73 Abs. 3 ArbVG verpflichtet ist, die Betriebsratsumlage einzuheben (ein Automatismus, der dazu führt, dass der einzelne Arbeitnehmer nicht den Arbeitgeber auffordern muss, diesen Abzug vorzunehmen), müsste der einzelne Arbeitnehmer gegen den Betriebsratsfonds direkt Klage auf Rückzahlung der Betriebsratsumlage erheben.
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