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Normale Version: EuGH zum Anspruch auf Pflegekarenz bei im EU/EWR-Ausland lebenden Angehörigen
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EuGH vom 11.04.2024, C-116/23
§ 21c BPGG
Verordnung 883/2004 EG

Sachverhalt:

Ein italienischer Staatsbürger wohnte und arbeitete seit über 10 Jahren in Österreich und war hier zuletzt in einem Dienstverhältnis tätig.

Mit seinem österreichischen Arbeitgeber vereinbarte er die Inanspruchnahme einer Pflegekarenz, da sein Vater schwer erkrankt war.

Sein Vater bezog Pflegegeld nach italienischem Recht und hätte – wäre sein gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich gelegen – Anspruch auf das Pflegegeld der Stufe 3 in Österreich gehabt. Zudem verstarb er vor Ablauf des beantragten Pflegekarenzgeldes.

Das Pflegekarenzgeld wurde dem in Österreich wohnhaften und berufstätigen Sohn je-doch vom Sozialministeriumsservice mit dem Hinweis versagt, dass der Vater Pflegegeld der Stufe 3 nach den österreichischen Regeln hätte beziehen müssen, damit das Pflegekarenzgeld zugestanden wäre.

Das Bundesverwaltungsgericht setzte das Verfahren aus und beantragte ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH, der sich zu dieser nicht selten vorkommenden Konstellation geäußert hatte.


So entschied der EuGH:

Zunächst bejahte der EuGH grundsätzlich den Anspruch auf Pflegekarenzgeld für den Sohn, weil er in Bezug auf diese Leistung die Anwendung der Verordnung 883/2004 („Leistungen bei Krankheit“) sah. Dass der Vater, der gepflegt wurde, nicht in Österreich ansässig war, durfte somit kein rechtliches Hindernis darstellen.

Dass für Bezug eines Pflegekarenzgeldes, welches aus Anlass der Inanspruchnahme einer Pflegekarenz begehrt wird, als Voraussetzung die Pflegegeldstufe 3 gesetzlich verankert ist (von zwei Ausnahmen abgesehen), sieht der EuGH als sachgerecht an, so diese „Hürde“ dazu dient, das finanzielle Gleichgewicht des nationalen Systems der sozialen Sicherheit zu wahren.

Allerdings erfüllt in diesen Fällen der Bezug des Pflegegeldes nach den Vorschriften des Wohnsitzlandes des Angehörigen des Arbeitnehmers ebenfalls diese Voraussetzung. Dass es also nicht nach österreichischen Vorschriften bezogen wird, steht dem Anspruch auf Pflegekarenzgeld nicht im Wege.

Dass die Voraussetzungen auf ein Pflegekarenzgeld aus Anlass der Inanspruchnahme einer Pflegekarenz anders gestaltet sind als jene im Vergleich zum Bezug eines Pflegekarenzgeldes aus Anlass einer Familienhospizkarenz (wo keine bestimmte Pflegegeldstufe Voraussetzung ist), führt zu keiner Gemeinschaftswidrigkeit. Ebenso (aus europarechtlicher Sicht) unbedenklich ist es nach Ansicht des EuGH, wenn der Antrag auf Pflegekarenzgeld aus Anlass der Inanspruchnahme einer Pflegekarenz nicht nachträglich in einen An-trag wegen der Inanspruchnahme einer Familienhospizkarenz umgedeutet werden kann.