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Substitut bei Rechtsanwalt als echter Dienstnehmer
#1
Substitut bei Rechtsanwalt als echter Dienstnehmer
 
OGH 8 ObA 18/20k vom 27. Mai 2020
§ 1151 ABGB
 
So entschied der OGH:
·       Im vorliegenden Fall ging es um die Beurteilung eines Vertragsverhältnisses, welches ein Rechtsanwalt, der als selbständiger Rechtsanwalt in die Rechtsanwaltsliste eingetragen war, zu einer anderen Rechtsanwaltskanzlei hatte, für die er aufgrund von „Substitutsvereinbarungen“ tätig wurde.
·       Dieses Vertragsverhältnis wurde von den Gerichten (vom OGH hier bestätigt) als „echtes Dienstverhältnis“ gewertet und zwar aus folgenden Gründen:
o  Er war von Montag bis Donnerstag im Umfang von jeweils sechs Stunden täglich in den Kanzleiräumlichkeiten der „anderen Rechtsanwaltskanzlei“ im Wesentlichen mit deren Betriebsmitteln tätig,
o  dabei erledigte er die ihm zugewiesene Akten unter Verwendung mehrerer hundert vom „Arbeitgeber“ erarbeiteter Textbausteine für Mandanten, mit denen er selber kein Vollmachtsverhältnis hatte,
o  die von ihm gelieferten Arbeiten wurden auf dem Kanzleiserver des Arbeitgebers abgespeichert und nicht in die eigene Mustersammlung aufgenommen,
o  er war in Bezug auf seine Arbeit einer Kontrolle durch den Arbeitgeber unterworfen,
o  er unterlag auch persönlichen Weisungen betreffend seine grundsätzliche Anwesenheit in der Kanzlei und
o  er erhielt ein von der Zahl und der Qualität der Erledigungen unabhängiges fixes monatliches Entgelt sowie den Ersatz seiner Fahrtkosten,
o  der wirtschaftliche Erfolg der Mühen des „Arbeitnehmers“ kam ausschließlich dem Arbeitgeber zu.
 
·       Die Anwendung arbeitsrechtlicher Bestimmungen ist in weiten Teilen zwingendes Recht. Schon aus diesem Grund kommt es auf eine bestimmte Bezeichnung des Vertragsverhältnisses oder abweichende rechtliche Vorstellungen, die die Parteien beim Abschluss gehegt haben, nicht entscheidend an, sondern in erster Linie auf die tatsächliche Handhabung, die im Regelfall den wahren Parteiwillen zum Ausdruck bringt.
·       Dass die der Entscheidung 4 Ob 93/83 zugrunde liegende Beschäftigung eines Konzipienten mit großer Legitimationsurkunde für einen Rechtsanwalt gegen eine Substitutionspauschale als freies Dienstverhältnis beurteilt wurde, ist dem abweichenden Sachverhalt geschuldet gewesen (keine Weisungsgebundenheit, völlig freie Zeiteinteilung ...).
·       Dass der Arbeitnehmer daneben über eine eigene Kanzlei verfügte, ändert nichts an der vorliegenden Beurteilung, weil ein Dienstnehmer grundsätzlich auch weiteren Erwerbsmöglichkeiten nachgehen kann.
 
Praxisanmerkung:
·       Gerade für die Tätigkeit von Substitut/innen war ja Mitte des Jahres 2019 eine gesetzliche Änderung dahingehend in Kraft getreten, wonach die frühere Teilpflichtversicherung im ASVG (betreffend Kranken- und Unfallversicherung) mangels Vorliegenkönnens von echten Dienstverhältnissen abgeschafft wurde.
·       Somit wäre der vorliegende Fall aus arbeitsrechtlicher Sicht ein Dienstverhältnis, aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht (im Ergebnis) kein echtes Dienstverhältnis (durch die Eintragung in die „Rechtsanwaltsliste“ lief die Pflichtversicherung über die Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer.
·       Offen bleibt hingegen, wie man das Beschäftigungsverhältnis im vorliegenden Fall steuerlich beurteilt.
·       Die Rechtsanwaltskammer meint dazu ja, dass die Wertung, wonach sv-rechtlich Selbständigkeit vorliegt, auch steuerrechtlich beachtlich sein wird.
·       Beurteilt man die Sache auf strenge Weise, dann haben wir hier steuerrechtlich ganz klar ein echtes Dienstverhältnis, was aber meiner Ansicht nach an der weiteren Beurteilung in der Sozialversicherung (nämlich keine ASVG-Unterworfenheit) aufgrund der Regelung in § 7 Z 1 lit. e ASVG nichts ändert.
·       Ergänzen möchte ich noch den Hinweis, dass diese OGH-Entscheidung ein „Wink“ für die Praxis dahingehend ist, über die Gestaltung von Substitusverträgen „nachzudenken“.
·       Die Anwendung des ASVG konnte man eliminieren, nicht aber jene des Arbeitsrechts.
·       Es wird in der Praxis mit Sicherheit sehr viele Fälle geben, die anders gestaltet sind und wo man aufgrund der Vertragsanalyse zum Schluss kommt, dass kein echtes Dienstverhältnis vorliegt.
·       Dass es die echten Dienstverhältnisse bei den Substitut/innen doch gibt, beweist die vorliegende Entscheidung.


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Dieser Artikel stammt aus meinem LV-Magazin WIKU-Personal aktuell (Ausgabe Nr. 16/2020).

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