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Umfassende Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung immer erst nach Ausbildung – keine Ersatzpflicht
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Umfassende Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung immer erst nach Ausbildung – keine Ersatzpflicht

OGH 9 ObA 85/21x vom 2. September 2021

§ 2d AVRAG

Sachverhalt:

Ein Arbeitnehmer war vom 1. 4. 2017 bis 30. 4. 2019 bei der Arbeitgeberin angestellt.

Das Dienstverhältnis endete durch Arbeitnehmerkündigung.

Im Beschäftigungszeitraum nahm der Arbeitnehmer an verschiedenen Ausbildungskursen (Schulungen) teil, deren Kosten die Arbeitgeberin zahlte.

Die schriftlichen Ausbildungskostenrückersatzvereinbarungen schlossen die Parteien erst nach Absolvierung der jeweiligen Ausbildung ab.

Vor Absolvierung der Schulungen war der Arbeitnehmer weder über die konkrete Hö-he der jeweils damit verbundenen Kurskosten und sonstigen zurückzuerstattenden Kosten, noch über die Modalitäten und Voraussetzungen eines etwaigen Rückersatzes oder dessen Höhe informiert.

Der Arbeitgeber klagte den Arbeitnehmer Rückzahlung der nicht amortisierten Ausbildungskostenanteile gemäß der jeweils im Nachhinein getroffenen Vereinbarung.


So entschied der OGH:

Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung NACH der Ausbildung – Arbeitgeber hat das NACHsehen – Transparenz ist Trumpf

Soll der Arbeitnehmer im Sinne des § 2d Abs 2 erster Satz AVRAG zum Rückersatz von Ausbildungskosten (und des während einer Ausbildung fortgezahlten Entgelts) verpflichtet werden, muss nach ständiger Rechtsprechung darüber noch vor einer bestimmten Ausbildung eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen werden, aus der auch die konkrete Höhe der zu ersetzen-den Ausbildungskosten hervorgeht.

Der Oberste Gerichtshof begründet diese Rechtsprechung mit dem Zweck des § 2d AVRAG, für den Arbeitnehmer Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen.

Ihm soll ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum ermessen kann, für den eine Kostentragungspflicht vereinbart wurde.

Nur so kann eine sittenwidrige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers vermieden werden.

§ 2d AVRAG ist eine Arbeitnehmerschutzbestimmung ==> daher ist Vereinbarung vorab notwendig

§ 2d AVRAG stellt eine Schutzbestimmung für den Arbeitnehmer dar.

Die dem Arbeitnehmer daraus gebührenden Rechte sind nach § 16 AVRAG unabdingbar, die Inhalte des § 2d AVRAG stellen relativ zwingendes Recht dar.

Richtig ist zwar, dass der Wortlaut des § 2d AVRAG nicht ausdrücklich einen Zeitpunkt bzw Zeitraum für den Abschluss der nach § 2d AVRAG erforderlichen Vereinbarung normiert.

Dem Gesetzeszweck entsprechend sichert aber nur eine vor der Ausbildung abgeschlossene Vereinbarung dem Arbeitnehmer eine selbstbestimmte Entscheidung, sich auf eine Ausbildung einzulassen, die unter bestimmten Umständen zu einem Ausbildungskostenrückersatz führen kann.

Der Arbeitnehmer soll sich nicht erst nach absolvierter Ausbildung im aufrechten Arbeitsverhältnis mit der vom Arbeitgeber zur Unterschrift vorgelegten Vereinbarung über die Rückforderbarkeit der bereits vom Arbeitgeber getragenen Kosten und erfolgten Gehaltsfortzahlung konfrontiert sehen.

Er kann dadurch unter Umständen in eine Drucksituation gelangen, die seinem schützenswerten Interesse, sich frei und sachlich über die Teilnahme an einer Ausbildung entscheiden zu können, entgegen steht.

Auf den WIKU-Punkt gebracht:

Lässt ein Arbeitgeber immer erst nach absolvierter Ausbildung eine umfassende Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung unterfertigen, so ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, im Falle eines Ausscheidens Ausbildungskostenanteile an den Arbeitgeber zu erstatten.
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