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ALV-Dienstgeberanteile nach dem Epidemiegesetz rückerstattungstauglich – der Rechtsstaat geht am Krückstock
#1
ALV-Dienstgeberanteile nach dem Epidemiegesetz rückerstattungstauglich – der Rechtsstaat geht am Krückstock

VwGH vom 07.09.2023, Ra 2023/09/0004

§ 32 EpiG

§ 2 WTBG

So entschied der VwGH:

1. Nach überzeugender Ansicht des VwGH ist auch der Dienstgeberanteil zur gesetzli-chen Arbeitslosenversicherung, welcher vom Entgelt während einer behördlich an-geordneten Quarantäne zu entrichten ist, nach § 32 Epidemiegesetz rückerstattungs-tauglich und zwar aus folgenden Gründen:
o Der Kompetenztatbestand „Sozialversicherungswesen“ umfasste bereits in sei-ner Stammfassung 1925 die Krankenversicherung, Pensionsversicherung, Un-fallversicherung und auch Arbeitslosenversicherung, weil es diese Zweige der Sozialversicherung bereits zu diesem Zeitpunkt gab.
o Auch die Arbeitslosenversicherung zählt daher zum „Sozialversiche-rungswesen“ im Sinne des B-VG, mag sie auch nicht unter den Begriff der - einfachgesetzlichen -„Allgemeinen Sozialversicherung“ gemäß § 2 Abs. 1 ASVG fallen, die die Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung umfasst.
o Aus der Auslegung des Begriffes „Allgemeine Sozialversicherung“ in dieser Bestimmung oder aus dem darauf aufbauenden § 51 ASVG ist daher für die Bedeutung der Wortfolge „gesetzliche Sozialversicherung“ im Sinne des § 32 EpiG nichts zu gewinnen.
o Der Gesetzgeber hat für den Zeitraum der Absonderung nach dem EpiG das Weiterbestehen der Pflichtversicherung durch Verweis auf § 11 Abs. 3 lit. d ASVG auch für das AlVG angeordnet (§ 1 Abs. 6 AlVG).
o Somit bezahlt ein Dienstgeber diese Beitragsleistungen während der Dauer der Absonderung des Dienstnehmers daher auf Grund einer gesetzlichen Verpflich-tung , die nicht vertraglich abdingbar ist, sondern Folge der gesetzlichen Anord-nung des Fortbestehens der Pflichtversicherung ist (vgl. dazu die Materialien zu § 52b des TierseuchenG, BGBl. Nr. 141/1974(RV 977 BlgNR 13. GP 13 f: „Für die Zeit der Erwerbsbehinderung sind Beiträge zur gesetzlichen Sozialversiche-rung und bei Bauarbeitern die Bauarbeiterurlaubskasse vom Arbeitgeber zu ent-richten. Diese sollen gleichfalls vom Arbeitgeber ersetzt werden.“).
o Die Beiträge nach dem AlVG werden gemäß § 5 AMPFG vom zuständigen Sozi-alversicherungsträger eingehoben und hernach an eine vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft bestimmte Stelle abgeführt (§ 5 Abs. 1 und 4 AMPFG).
o Wie der Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus bereits erkannt hat, enthält der Wortlaut des § 32 Abs. 3 EpiG nicht einmal eine Einschränkung dahingehend, dass etwa nur an die Versicherungsträger geleistete Beiträge ersatzfähig wä-ren. Er begrenzt den Anspruch lediglich insoweit, als es sich um einen geleiste-ten Dienstgeberanteil in eine „gesetzliche Sozialversicherung“ handeln muss.
2. Jene Steuerberatungskanzlei, welche den Klienten vor dem VwGH in dieser Rückvergü-tungsangelegenheit vertreten hatte, erhält dafür jedoch vom Höchstgericht keinen Kostenersatz zugesprochen, da ein Verfahren betreffend eine Vergütung nach § 32 Epidemiegesetz kein Abgabenverfahren im Sinne des VwGG darstellt und zudem auch nicht von der gesetzlich verankerten Vertretungsbefugnis des § 2 WTBG umfasst ist.


Praxisanmerkung:
Damit erwies sich auch dieser Teil des Erlasses des Bundesministers für Soziales, Gesund-heit, Pflege und Konsumentenschutz vom 20. Juli 2020 erwartungsgemäß als „Mythos“.
Wir fassen zusammen.
• Sonderzahlungen sind grundsätzlich Teil des rückerstattungsfähigen Entgelts, gleichgültig, wann sie fällig sind bzw. bezahlt wurden und zwar in aliquoter Höhe (VwGH 24.06.2021, Ra 2021/09/0094 = WPA 13/2021, Artikel Nr. 338/2021).
• Rückerstattungsanträge sind auch dann zulässig, wenn eine ausländische Behörde (EU/EWR-Land) den Dienstnehmer unter Quarantäne stellt (EuGH 15.6.2023, C-411/22, VwGH vom 20.06.2023, Ra 2021/03/0098 = WPA 15/2023, Artikel Nr. 332/2023).
• Arbeitslosenversicherungsdienstgeberanteile, welche für das während der Quaran-täne zu bezahlende Krankenentgelt zu bezahlen sind (darunter fallen auch anteilige Sonderzahlungen) sind rückerstattungstauglich.
Traurig ist, dass vermutlich tausende und abertausende Anträge auf Basis des Erlasses abgewiesen worden sind und nicht mehr saniert werden können, es sei denn, man hatte die Zeit, ins Rechtsmittel zu gehen.
Ob das noch einem Rechtsstaat würdig ist oder „Würde“ mit „Willkür“ verwechselt wurde, darf jeder für sich selber entscheiden.
Aber DAS ist ein Debakel der Sonderklasse für den Staat und wie man sieht, es löst sich alles in „Rauch“ auf (siehe auch die VfGH-Erkenntnisse zu ORF-Abgabe und COFAG).
Aber wie sagte doch einst ein ehemaliger Bundeskanzler sinngemäß: „bis die Gerichte ent-schieden haben, ist alles längst vorbei.“
Keine weitere Fragen, Euer Ehren!
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