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Nächtliche Feier während eines Krankenstandes muss nicht unbedingt einen Entlassungsgrund darstellen
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Nächtliche Feier während eines Krankenstandes muss nicht unbedingt einen Entlassungsgrund darstellen

OGH vom 27.09.2023, 9 ObA 67/23b
§ 27 Z AngG


So entschied der OGH:

1. Aus dem Arbeitsvertrag besteht für den Arbeitnehmer die Verpflichtung, sich im Fall einer Krankheit und einer dadurch ausgelösten Arbeitsunfähigkeit so zu verhalten, dass die Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird.

2. Schon die Eignung des Verhaltens, den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen oder den Heilungsprozess zu verzögern, kann den Entlassungsgrund verwirklichen.

3. Ein Dienstnehmer darf ärztlichen Anordnungen jedenfalls nicht schwerwiegend bzw betont und im erheblichen Maß zuwiderhandeln und die nach der allgemeinen Lebenserfahrung allgemein üblichen Verhaltensweisen im Krankenstand nicht betont und offenkundig verletzen.

4. Es besteht kein (von der speziellen Erkrankung unabhängiger) Erfahrungssatz dahin, dass „kranke“ Personen (generell) nachts (besonderer) Ruhe bedürfen und eine Störung der Nachtruhe den Heilungsverlauf (jedenfalls) gefährdet.

5. Im hier zu beurteilenden Fall steht auch nur fest, dass der an Depressionen leidende Arbeitnehmer nachts an einer Feier teilnahm und sich diese Teilnahme nicht auf bloß 30 bis 40 Minuten beschränkte.

6. Daraus lässt sich schon nicht ableiten, dass der Arbeitnehmer wegen seines Verhaltens nicht ausreichend Schlaf gefunden hätte. Im Übrigen legt die Arbeitgeberin nicht dar, aus welchen Gründen die Teilnahme des Arbeitnehmers an der Feier geeignet gewesen wäre, die bei ihm vorliegende psychische Erkrankung zu prolongieren, also die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu verzögern, zumal weder die Ausgehzeiten des Arbeitnehmers beschränkt waren, noch ihm Bettruhe verordnet wurde und ihm Spaziergänge (mit dem Hund) sowie Treffen mit Arbeitskollegen empfohlen waren.

7. Bei der Beurteilung, ob der Dienstnehmer den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit gesetzt hat, ist nicht auf das subjektive Empfinden des Dienstgebers abzustellen, sondern es ist stets eine objektive Wertung des Verhaltens des Dienstnehmers vorzunehmen.

8. Dieser Bewertung ist somit das konkret gesetzte Verhalten des Arbeitnehmers zugrunde zu legen. Von welchem Verhalten die Arbeitgeberin oder ihre Beschäftigten aufgrund von Facebook-Kommentaren, Fotos oder Videos ausgingen oder ausgehen hätten, ist ohne Bedeutung.

9. Da es nach der Rechtsprechung im hier vorliegenden Zusammenhang auf Verhaltens-weisen des Arbeitnehmers ankommt, die dem Heilungsverlauf abträglich sind, ist die Frage, ob ein Verhalten für die Behandlung einer Krankheit (sogar) förderlich wäre bzw ob der Arbeitnehmer davon ausgehen konnte, seinen Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, nicht entscheidungswesentlich.
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