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Die gegenwärtigen Strafen nach dem LSD-BG vor dem "Aus"?
#1
Die gegenwärtigen Strafen nach dem LSD-BG vor dem "Aus"?

Jene EuGH-Entscheidung, die im September 2019 Managern eines österreichischen Unternehmens half, sich von der Umklammerung existenzvernichtender Strafen nach dem LSD-BG zu befreien, weil im Zuge grenzüberschreitender Arbeitnehmereinsätze Lohnunterlagen nicht in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form vorlagen und dies pro betretenem Arbeitnehmer bzw. betretener Arbeitnehmerin geahndet wurde, lässt jetzt auch die drakonischen Strafen nach dem LSD-BG gehörig wackeln.

Persönlich bin ich der Ansicht, dass sich nach diesem Urteil niemand mehr vor einer derartigen Strafandrohung wirklich fürchten muss, solange die Rechtslage nach dem LSD-BG (Lohn- und Sozialdumping-BEKÄMPFUNGSGESETZ) nicht saniert wurde.
Wenn also ein/e GPLA-Prüfer/in mit einer LSD-BG-Anzeige droht, so war dies früher ein massiver Grund für einen ordentlichen Schweißausbruch. Heute kann einem das Prüforgan fast schon leid tun, weil aus der großen großen Waffe eine "Spritzpistole" wurde.

Mir ist sehr bewusst, dass diese Zeilen jetzt viele aufschrecken oder ungläubig den Kopf schütteln lassen und ich bin mir auch sicher, dass ich mir mit diesen Aussagen nicht nur Freunde (und Freundinnen) mache. Aber mir geht es um genau diesen "Dauerstresszustand" für Personalverrechner/innen, der vom Gesetzgeber billigend in Kauf genommen worden ist und zwar auch im Hinblick auf Versehen oder auch im Hinblick auf strittige Situationen.

Zwar mag der bzw. die gut informierte "Verteidiger/in" dieses Systems einwenden, dass bei einem Versehen ohnedies die Behörde von einer Strafe absehen kann, aber Fakt ist auch, dass die Frage, ob ein "Versehen" vorliegt oder nicht, schlicht und ergreifend eine praxisfeindliche Anschauungssache ist.
Hinzu tritt dann noch das Momentum, dass man nicht einmal mehr in der Lage ist, eine an und für sich strittige Situation auszufechten, weil einem die hohen LSD-BG-Strafen im Genick sitzen, sodass man dieses Risiko erst gar nicht eingehen möchte und am Ende lieber die relevante Zahlung leistet, bevor man seinen Arbeitgeber bzw. seine Arbeitgeberin oder seinen Klienten bzw. seiner Klientin einem aufreibenden Verfahren aussetzt.

Gerade als Berater/in kommst du da klassisch zwischen die "Mühlen" der Interessen. Gerade, wenn die BUAK oder die Krankenkassen (ab 1.1.2020: die ÖGK) auf einer bestimmten Auslegung eines noch nie entschiedenen Sachverhaltes bestehen und dann bei Nichtbefolgung die "Lohndumping-Keule" schwingen, so grenzt dies eigentlich ja schon praktisch gesehen an eine "Zwangssituation", die man ev. umgangssprachlich als Nötigung formulieren würde.

Zahlt der Klient eine Strafe, die er im Verfahren ev. wegbekommt, ist der bzw. die Berater/in ev. daran "schuld", weil er bzw. sie den bzw. die Klient/in überhaupt in so eine Situation gebracht hat.

Gibt es umgekehrt in einem anderen Fall dann später ein höchstgerichtliches Urteil, aus dem am Ende hervorgeht, dass man mit der Entscheidung, weniger oder nicht zu bezahlen, Recht gehabt hätte, aber lieber zu Gunsten des Klienten bzw. der Klientin auf einen teuren Rechtsstreit verzichtet hatte und mehr bezahlt hat, dann läuft man Gefahr als "feig" dargestellt zu werden oder gar eh nur für die Finanz und die Arbeitnehmer/innen da zu sein, in einem  - aus deren Sicht - arbeitgeberfeindlichen Umfeld. Da kann man sich die Watschn förmlich aussuchen.

Aber wir Personalverrechner/innen sind ja Kummer gewöhnt und - wie das "Kraft-Häferl" vom Vorlagenportal ja so zu treffend sagt zugleich "Jurist/in, Mathematiker/in, Psycholog/in, Kinderbetreuer/in, Hellseher/in, Dolmetscher/in, IT-Expert/in und Lebensretter/in" (fehlt noch "Watschenbaum"). Da freuen wir uns doch auch einmal über eine Trendwende, die sich da am Horizont für uns auftut, damit unser Job auch wieder runter darf von der Mangelberufsliste (dieses Häferl kann man unter office@vorlagenportal.at bestellen; es gibt auch ein geniales Arbeitsrechtler-Häferl; ev. ein Weihnachtsgeschenk?).

Vielleicht hat die harte Linie auch dazu geführt, dass wir in manchen Bereichen genauer hingesehen haben und interne Verfahren entwickelt haben, die - vergleicht man mit der Situation vor 10 Jahren - zB Einstufungsfehler im Vorfeld abstoppen. Nach dem Motto "ohne strenge Strafen werden die Regeln nicht ernstgenommen". Streng: ja, existenzvernichtend: nein.

Vor allem die GPLA-Prüfer/innen haben ja in Wahrheit in der Vergangenheit sehr häufig "Gnade vor Recht" ergehen lassen, weil es ja vom Gesetz gar nicht gedeckt wäre, den Betrieb aufzufordern, die Nachzahlung an den bzw. die Arbeitnehmer/in zu leisten, damit keine Anzeige gemacht werden muss,  sondern man müsste - streng genommen - Fall für Fall anzeigen bzw. nur in den Fällen der leichten Fahrlässigkeit bzw. der Abrechnungsdifferenzen von maximal 10 % wäre man auch offiziell berechtigt, Gnade vor Recht ergehen zu lassen.

Den GPLA-Prüfer/innen kann man also aus meiner Sicht nicht allzu viele Vorwürfe machen, die Situation verschärft zu haben (von ein paar Ausreissern mal abgesehen).

Eine harte Linie (wie sie zB Finanzpolizei und BUAK fahren) führt umgekehrt auch dazu, dass die Verwaltungsstrafbehörden völlig überlastet werden weil ja auch der Staat einspart (ein Widerspruch in sich, mehr Einnahmen durch Strafen, weniger Personal, die die Strafen abarbeiten). Das hat in Wahrheit die GPLA dem Staat nämlich erspart und gleichzeitig dadurch möglicherweise auch viele "unnötige" Insolvenzen vermieden.

Für Personalverrechner/innen ist die gegenwärtige Rechtslage (die ja nun auf der Kippe steht) auch aus einem anderen Aspekt heraus  auch nicht wirklich lustig, weil sie ja zB dann, wenn sie bewusst zum Unterzahlen angewiesen werden, zum "Beitragstäter" bzw. zur "Beitragstäterin" nach dem VStG werden (also selber blechen und - wenn es blöd hergeht - als Ersatzstrafe "sitzen" gehen).

Eine Reform das LSD-BG wäre daher aus all den genannten Gründen notwendig und wünschenswert. Wie gesagt: zum einen sind die Strafen des LSD-BG (die Art, wie das System der Strafen dann nämlich wirkt) mit hoher Wahrscheinlichkeit gemeinschaftswidrig (also nur mehr für diejenigen eine Bedrohung, die diesen Trend noch nicht "geschnallt" haben), zum anderen hat das System sehr viele unerwünschte (natürlich auch gewünschte) Begleitwirkungen gehabt.
Aber es war politisch so gewollt, damit im Falle grenzüberschreitender Einsätze eine gewisse Abschreckung vor "Dumpingmaßnahmen" erzeugt wird. Im Ergebnis aber haben zu einem Großteil inländische Firmen draufgezahlt (ev. Inländerdiskriminierung?), weil die ausländischen Firmen für das Einkassieren der Strafen kaum greifbar waren.

Wenn man bedenkt, dass bereits vor einem Jahr eine tragende Säule der Verfolgbarkeit von ausländischen Firmen in Österreich für Lohndumpingvergehen vom EuGH aufgehoben wurde (nämlich das Deponieren einer behördlich angeordneten Sicherheitszahlung durch den inländischen Werkbesteller von der offenen Rechnung an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde) und wir nun praktisch seit einem Jahr in diesem Punkt in einem rechtslosen Zustand sind, so stellt sich für mich schon auch die Frage nach der politischen Einflussnahme und auch Verantwortung dieses Dilemmas (die überraschende Untätigkeit).

Davor schon handelte sich Österreich bereits eine Niederlage ein bei dem Versuch, aus grenzüberschreitenden Entsendungen irgendwie grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassungen zu konstruieren, damit man leichter strafen konnte, nämlich den inländischen Beschäftigerbetrieb, wenn Unterlagen nicht auflagen (für die Folgen eines Lohndumpings direkt verantwortlich war aber der Beschäftigerbetrieb ohnedies nicht).

Möglicherweise geht es Österreich mit den grenzüberschreitenden Sachverhalten auf europäischer Ebene so wie einigen Ländern im beherzten Versuch, die Flüchtlingsströme zu bewältigen. Man muss am Ende alleine mit dem Problem fertig werden, weil man sich aufgrund der großen Interessensgegensätze nicht auf eine gemeinsame Linie bei grenzüberschreitenden Strafverfolgungen "lohndumpender Betriebe" einigen konnte (was bei Verkehrsdelikten witzigerweise geht, funktioniert bei Lohndumping-Vergehen nicht).

Interessant ist auch, dass in Bezug auf die jüngste EuGH-Entscheidung (September 2019)  sowohl VfGH als auch VwGH dieses Strafsystem "durchgewunken" hatten und ein mutiger Richtersenat eines Landesverwaltungsgerichts (zweite Instanz) schließlich den EuGH anrief, weil er vermutlich wusste, was die Anrufung von VwGH bzw. VfGH bringen würde. Dieser Mut führte  nun dazu, dass das LSD-BG mit seinem Strafsystem insgesamt vor dem Aus steht, zumindest keine echte Bedrohung mehr darstellt.

Mir ist sehr bewusst, dass es im Anlassfall um Lohnunterlagen ging, die nicht auflagen und nicht um Unterentlohnung (es wurden alle "korrekt" entlohnt und dennoch wurden € 24 Millionen Euro Strafen verhängt mit der Androhung von Ersatzfreiheitsstrafen). Aber der EuGH ließ massiv anklingen, dass dieses Strafsystem in Österreich einfach unverhältnismäßig wäre (ev. das bevorstehende Ende des Strafkumulationsprinzips?).

Damit dem bewussten Lohndumping nun nicht Tür und Tor geöffnet wird, bedarf es einer sehr raschen Sanierung der Rechtslage, weil derzeit in praktisch jedem LSD-BG-Verfahren mit Hinweis auf die EuGH-Entscheidung dem Strafentiger der Zahn gezogen werden kann.

Einen sehr mutigen und eigentlich noch sehr zurückhaltenden Artikel dazu findet man heute in "DerStandard.at". Liest man zwischen den Zeilen, so findet man dort auf seriöse Weise dargestellt, was ich hier offen ausspreche.

Zu diesem spannenden Artikel geht es hier:

https://www.derstandard.at/story/2000109878735/hartes-strafregime-gegen-lohndumping-steht-auf-der-kippe

Und auch Prof. Dr. Schrank hat schon nachgelegt und zwar in einem Editorial zu einer der besten juristischen Zeitschriften dieses Landes, nämlich dem "Recht der Wirtschaft", Ausgabe Nr. 10/2019 (erschienen am 18.10.2019). Er spricht dort von einem "Paukenschlag" und einem "Weckruf", den die EuGH-Entscheidung mit sich brachte.

Zu den Bestellmöglichkeiten dieses Magazines geht es hier:

https://shop.lexisnexis.at/rdw-oesterreichisches-recht-der-wirtschaft.html

Ich werde in meinem Magazin WIKU-Personal aktuell in der Ausgabe Nr. 18/2019 dieses EuGH-Urteil ausführlich darstellen und analysieren.

Zu meinem Magazin (WIKU-Personal aktuell) und den Bestellmöglichkeiten geht es hier:

http://wikutraining.at/seitenwiku/personalaktuellstart.html

Ich wünsche noch eine angenehme Woche und hoffe, dass ich einen Überblick über die derzeitige Lohndumpingrechtssituation auf dem letzten Stand bringen konnte und hoffe für uns Personalverrechner/innen, dass sich die Dinge nun entschärfen werden. Ich bin jedenfalls auch hier dahinter.
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