10.03.2021, 16:50
OGH 9 ObA 92/20z vom 21. Oktober 2021
§ 29 AngG
Die Entscheidung des OGH:
- Nach 29 AngG behält der Dienstnehmer im Fall der ungerechtfertigten Entlassung oder des vom Dienstgeber verschuldeten vorzeitigen Austritts seine vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsmäßige Kündigung durch den Dienstgeber hätte verstreichen müssen, unter Einrechnung dessen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat (= Kündigungsentschädigung mit der „Schadensminderungsregelung“, dass anderweitig Verdientes oder absichtlich zu verdienen Verabsäumtes ab dem vierten KÜE-Monat in Abzug zu bringen ist).
- Aus 29 AngG (für Angestellte) ist ebenso wie aus dem inhaltsgleichen § 1162b ABGB (für Arbeiter/innen) der allgemeine Grundsatz abzuleiten, dass ein Arbeitnehmer in diesen Fällen finanziell so zu stellen ist, als wäre sein Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß aufgelöst worden.
- Durch diese Entgeltfortzahlung soll der Angestellte unbeschadet der gesetzlich vorgesehenen Anrechnung wirtschaftlich so gestellt werden, wie dies bei regelmäßigem Ablauf des Arbeitsverhältnisses der Fall gewesen wäre.
- Zweck der Anrechnungsvorschrift ist, eine Bereicherung des Arbeitnehmers zu verhindern.
- Das Gesetz stellt dabei auf den Erwerb durch „anderweitige Verwendung“ ab, wobei es keinen Unterschied macht, ob der Erwerb aus einem anderen Arbeitsverhältnis oder einer selbstständigen oder sonstigen Tätigkeit erzielt wird.
- Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass das Unterbleiben der Dienstleistung, für die das Entgelt gefordert wird, für die Ersparnis, den anderweitigen Erwerb oder die anderweitige Verdienstmöglichkeit ursächlich war.
- Die Anrechnung umfasst daher grundsätzlich nur dasjenige, was der Arbeitnehmer gerade durch das Ausnützen jenes nunmehr frei gewordenen Teils seiner Arbeitskraft, den er bisher dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt hatte, erworben hat oder zumindest erwerben hätte können.
- So ist etwa der Erwerb aus bereits zuvor ausgeübten Nebenbeschäftigungen grundsätzlich nicht anzurechnen.
- Die anzurechnende Ersparnis oder den anrechnungspflichtigen Erwerb muss der Dienstgeber behaupten und beweisen.
- Im vorliegenden Fall hatte der Angestellte von der eingeklagten Kündigungsentschädigung den Betrag abgezogen, den er nach der Entlassung aus seiner Arbeitsleistung für die GmbH erzielt hatte.
- Eine Anrechnungsverpflichtung für Gewinne der GmbH (Gewinnbeteiligung) mit der Begründung, dass die Arbeitsleistung des Angestellten für diese Gewinne kausal war, war nicht vorzunehmen, da dies vom (ehemaligen) Arbeitgeber nicht bewiesen werden konnte.
- Für die Anrechnung von Gewinnen, die der Arbeitnehmer auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erwirtschaftet hätte, bietet das Gesetz keine Grundlage.
- Damit hatte die Frage, ob die Unterlassung der Gewinnausschüttung einem „zu erwerben absichtlich versäumt hat“ gleich zu halten ist, im konkreten Fall keine Relevanz.