04.02.2020, 08:41
Wag the dog – wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt – Mischbetriebssituation mit dominantem kollektivvertragslosen Bereich sowie mit untergeordnetem kollektivvertragsunterworfenem Bereich
OGH 9 ObA 126/19y vom 17. Dezember 2019
§ 9 Abs. 3 ArbVG
Sachverhalt:
· Der Inhaber eines Wettbüros (= Hauptbetrieb) stellte den Kund/innen im Rahmen eines weiteren Berufszweiges (Automatenausschank gemäß § 11 Abs. 2 Z 6 GewO 1994 = Nebenbetrieb) auch Getränke zur Verfügung.
· Mit dem Berufszweig Automatenausschank gehörte er der Fachgruppe Gastronomie an und war insoweit dem Kollektivvertrag für Arbeiter/innen im Gastgewerbe unterworfen.
· Der Hauptbetrieb Wettbüro löste für sich keine Kollektivvertragsunterworfenheit aus.
· Eine organisatorische Trennung der beiden Bereiche (Wettbüro = dominanter Hauptbetrieb und Getränkeausschank = untergeordneter Nebenbetrieb) existierte nicht.
· Nun war fraglich, ob sich der Dienstgeber an die Bestimmungen des Gastgewerbe-Kollektivvertrages halten musste (Sonderzahlungen, Mindestentlohnung, Aushilfenregelung,….) oder ob er die Vertragsinhalte frei vereinbaren konnte.
Lösung:
· Der OGH entschied, dass zwar grundsätzlich in einem Mischbetrieb, in dem keine organisatorische Trennung der Bereiche „Hauptbetrieb“ und „Nebenbetrieb“ vorliegt, der Kollektivvertrag jenes Bereiches zur Anwendung gelangen sollte, welcher die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung im Unternehmen hatte (also jener des Hauptbetriebes).
· Er betonte aber gleichzeitig, dass dieser Grundsatz dann nicht gilt, wenn der Hauptbetrieb keinem Kollektivvertrag unterworfen war.
· Gemäß dem sozialen Schutzprinzip, dass kollektivvertragsfreie Räume vermieden werden sollten, stellte er auch im vorliegenden Fall fest, dass dann der Kollektivvertrag des untergeordneten Bereiches zur Anwendung gelangen muss.
· Somit kam der Gastgewerbekollektivvertrag zur Anwendung und bestanden die darauf gestützten Nachforderungen der klagenden Arbeitnehmerin zu Recht.