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Sechs zusätzliche irrtümliche Gehaltszahlungen über einen Zeitraum von 13 Monaten – kein gutgläubiger Verbrauch
#1
Sechs zusätzliche irrtümliche Gehaltszahlungen über einen Zeitraum von 13 Monaten – kein gutgläubiger Verbrauch


OGH 9 ObA 103/21v vom 15. Dezember 2021
§ 1431 ABGB

Sachverhalt:

Über einen Zeitraum von 13 Monaten erhielt die Ordinationsgehilfin vom Konto ihres Dienstgebers ausgehend in Summe € 11.425,00 zu viel an Entlohnung überwiesen.

Insgesamt waren es 6 Raten in jeweils unterschiedlicher Höhe (zwischen € 1.400,00 und € 2.400,00), die zusätzlich zum gleichbleibenden Gehalt und zumeist ohne Angabe eines Verwendungszwecks geleistet wurden. Vor diesen Zahlungen war die Arbeitnehmerin schon 9 Jahre lang bei diesem Arbeitgeber beschäftigt, ohne dass derartige zusätzliche Zahlungen auf ihr Konto flossen.

Wer diese Überweisungen durchgeführt bzw. in Auftrag gegeben hatte, konnte nicht geklärt werden.

Die Sache „flog“ im Zuge einer Jahresabschlussbesprechung mit dem Steuerberater auf.

Die Arbeitnehmerin machte ihren Arbeitgeber auf diese ominösen Zahlungen nicht aufmerksam.

In der Zwischenzeit folgten ein Austritt sowie ein – allerdings eingestelltes – Strafverfahren.

Fraglich war, ob die Arbeitnehmerin verpflichtet war, dieses Geld dem ehemaligen Arbeitgeber zu refundieren.


So entschied der OGH:

1. Wer irrtümlich eine Nichtschuld bezahlt, kann das Geleistete gemäß § 1431 ABGB zurückfordern.

2. § 1431 ABGB setzt nur voraus, dass eine Nichtschuld irrtümlich gezahlt wurde.

3. Wer also eine Leistung erbrachte, die er nicht schuldig war und die auch nicht den rechtsgeschäftlichen Zweck verfolgte, einen zwischen dem Gläubiger und dem – den Bestand der Forderung bezweifelnden – Schuldner bestehenden Streit endgültig zu er-ledigen, kann diese im Sinne der zitierten Gesetzeslage zurückfordern.

4. Diese Grundsätze gelten auch im Arbeitsrecht: Werden Bezüge irrtümlich angewiesen, obwohl sie nicht oder nicht in diesem Umfang gebühren, so können sie vom Arbeitgeber zurückgefordert werden (vgl 9 ObA 53/05t = WPA 4/2006, Art. Nr. 160/2006).

5. Lediglich im Fall redlichen Verbrauchs durch den Arbeitnehmer ist die Rückforderung ausgeschlossen.

6. Dabei wird der gute Glaube nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen, sondern von der Rechtsprechung schon dann verneint, wenn er zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausbezahlten Betrags auch nur zweifeln musste

7. Ausgehend von den Feststellungen, wonach über einen Zeitraum von 13 Monaten auf das Konto der Angestellten Zahlungen des Arbeitgebers im Ausmaß von insgesamt 11.425 EUR gutgeschrieben wurden, es sich dabei im Verhältnis zu ihrem regelmäßig vom Arbeitgeber bezogenen Gehalt um keine geringfügige „Überzahlung“ handelte und daneben die Gehaltszahlungen des Arbeitgebers in gleichbleibender Höhe flossen, hätte die Angestellte aber bei einer objektiven Beurteilung an der Rechtmäßigkeit der ausbezahlten Beträge zumindest zweifeln müssen.

8. Ob ihr Konto überzogen war, kann dabei keinen Unterschied machen, weil ein Minus am Konto nichts an der Wahrnehmbarkeit solcher Gutschriften am Konto ändert.

9. Dem Einwand der Gutgläubigkeit ist daher nicht zu folgen.
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