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Vorenthaltenes Entgelt wegen verweigerter Kurzarbeitsvereinbarung – vorzeitiger Austritt berechtigt
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Vorenthaltenes Entgelt wegen verweigerter Kurzarbeitsvereinbarung – vorzeitiger Austritt berechtigt

OGH 8 ObA 26/22i vom 25. Mai 2022
§ 1155 ABGB
§ 37b AMSG
§ 26 Z 2 AngG

So entschied der OGH:

1. Kam es zwischen einem Arbeitgeber (einem Souvenirshop) und einer Angestellten zu keiner Verlängerung der Ende September 2020 ausgelaufenen Kurzarbeitsvereinbarung (geplant war eine Verlängerung bis Ende Dezember 2020), weil die Angestellte ihre Zustimmung verweigerte und leistete daraufhin der Arbeitgeber dafür, dass wegen der Betriebsschließung keine Arbeitsleistung erbracht wurde, ab Oktober 2020 überhaupt kein Entgelt mehr, so war der vorzeitige Austritt der Angestellten jedenfalls berechtigt, weil er zudem bis Ende 2020 auf Basis des § 1155 Abs. 3 ABGB zur Entgeltsfortzahlung im Falle von Betriebsschließungen verpflichtet gewesen wäre.

2. Die Kurzarbeit ist mit einer Änderung des Arbeitsvertrags verbunden, die zu einer Verringerung der Normalarbeitszeit und einer entsprechenden Kürzung des Entgeltanspruchs des Arbeitnehmers führt. Die Einführung der Kurzarbeit erfordert deshalb entweder eine Betriebsvereinbarung nach § 97 Abs 1 Z 13 ArbVG oder eine Einzelvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber eine solche Änderung des Umfangs der Arbeitspflicht angesichts der damit verbundenen Reduktion des Entgeltanspruchs des Arbeitnehmers selbst dann nicht einseitig an-ordnen kann, wenn betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im bisherigen Umfang entgegenstehen.

4. Grundsätzlich trifft den Arbeitnehmer eine Treuepflicht, die ihn dazu verhält, auf betriebliche Interessen des Arbeitgebers entsprechend Rücksicht zu nehmen.

5. Nach Ansicht des OGH geht die Treuepflicht jedoch nicht so weit, dass der Arbeitnehmer am unternehmerischen Risiko seines Arbeitgebers partizipieren und bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens auf einen Teil seines Einkommens verzichten müsste.

6. Stimmt der Arbeitnehmer einer Reduktion seiner Arbeitszeit nicht zu, so bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit einer – allenfalls Änderungs- –Kündigung.

7. Im hier zu beurteilenden Fall wurde aber keine solche Kündigung ausgesprochen, sondern stattdessen der Angestellten die Fortzahlung des Entgelts verweigert.

8. Nach § 26 Z 2 AngG ist es als ein wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritt berechtigt, anzusehen, wenn der Dienstgeber das dem Angestellten zu-kommende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält.

9. Von einer ungebührlichen Schmälerung oder einem ungebührlichen Vorenthalten des Entgeltes kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber gewusst hat oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, dass seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist.

10. Kein Austrittsrecht besteht etwa dann, wenn über das Bestehen gewisser Zulagen verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden könnten und daher der Ausgang eines diesbezüglichen Rechtsstreites nicht abzusehen war (9 ObA 115/88). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

Praxisanmerkung:

Der OGH deutet zudem in der vorliegenden Entscheidung an, dass die Entgeltsfortzahlungspflicht des Arbeitgebers im Falle der Betriebsschließung auch schon aus anderen zivilrechtlichen Bestimmungen hätte abgeleitet werden können, verweist insoweit auf einige juristische Abhandlungen, belässt es aber in weiterer Folge dann dabei, dass es für den strittigen Zeitraum die Regelung des § 1155 Abs. 3 ABGB gab, der die Entgeltsfortzahlungspflicht explizit geregelt hatte.
Diese „Randbemerkung“ ist deshalb interessant, da ja das BMA dazu explizit eine andere Auffassung vertritt und insoweit die Theorie der entgeltsfreien „neutralen Sphäre“ bemüht.
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