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Eine steuerliche Tagesgeldbombe liegt beim VwGH - BFG zweifelt generell die zeitlich unbeschränkte Steuerfreiheit von Tagesgeldern an
#1
Eine steuerliche Tagesgeldbombe liegt beim VwGH - BFG zweifelt generell die zeitlich unbeschränkte Steuerfreiheit von Tagesgeldern an

BFG vom 16.03.2022, RV/5100132/2020
§ 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 - nicht rechtskräftig - Revision beim VwGH eingebracht!

So entschied das Bundesfinanzgericht - nicht rechtskräftig:

1. Die steuerliche Dienstreiseregelung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 ist verfassungskonform auszulegen.

2. Befinden sich Dienstnehmer in Wahrheit gar nicht auf Dienstreise, weil sie keine Tätigkeit außerhalb des ständigen Dienstortes verrichten, darf eine verfassungskonforme Interpretation des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 nicht ergeben, dass trotzdem eine Dienstreise vorliegt.

3. Als Folge dieser verfassungsmäßigen Interpretation muss es sich bei "Baustellen- und Montagetätigkeiten" um eine den Tätigkeitsort immer wieder wechselnde und unregelmäßige Tätigkeit handeln.

4. Nach dem allgemeinen Begriffsverständnis kann von einer Montage bzw. einer Baustelle nur dann gesprochen werden, wenn es sich um eine von vornherein zeitlich befristete Tätigkeit handelt und daher bei Abschluss der Montage/der Baustelle an einem anderen Ort mit einer Montage bzw. einer Baustellentätigkeit begonnen wird.

5. Eine kontinuierliche Tätigkeit am selben Betriebsstandort des Auftraggebers, die in einer laufenden, d.h. auf Dauer angelegten Errichtung/Umbau, dem Service und der Wartung von Anlagen besteht, kann nicht mehr als Montage- bzw. Baustellentätigkeit iS des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 angesehen werden.

6. Die in § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 geregelten Tatbestände modifizieren daher den in § 26 Z 4 EStG 1988 niedergelegten Begriff der Dienstreise nur und kann auch nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts eine maximal sechsmonatige durchgehende Tätigkeit am selben Betriebsstandort eines Auftraggebers des Dienstgebers noch als gerade zulässige Modifikation des steuerrechtlichen allgemeinen Dienstreisebegriffes angesehen werden.

7. Wenn die Tätigkeit am selben Betriebsstandort des Auftraggebers aber mehr als sechs Monate andauert, liegt keine Baustellen- bzw. Montagetätigkeit iS des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 mehr vor und sind die von der Arbeitgeberin ab Beginn des siebenten Monates ausbezahlten Tages-, Nächtigungsgelder und Fahrtkostenvergütung nicht mehr steuerfrei, weil dann eine ständige Dienstverrichtung an einem festen Arbeitsplatz, nämlich am Einsatzort beim Auftraggeber der Bf., vorliegt.


WIKU-Praxisanmerkung:

Als im Sommer 2007 die Reisekostennovelle im Bundesgesetzblatt verlautbart wurde, welche als Folge eines sehr kritischen VfGH-Entscheides, der - zusammengefasst - den lohngestaltenden Vorschriften die zeitliche Unbeschränktheit der Steuerfreiheit der Diäten absprach, ergangen war, war ich ob der dauerhaften Bestandsfestigkeit der neuen Regelung sehr skeptisch.

Jetzt haben wir den (nicht unerwarteten) Frontalangriff.

Fraglich wird sein, ob der VwGH das BFG-Erkenntnis, das nicht rechtskräftig ist, bestätigen wird oder ob er tatsächlich von "steuerfreiem Arbeitslohn" und gerechtfertigt längeren abgabenfreien Zeiträumen insoweit ausgehen wird.

Persönlich glaube ich, dass das Erkenntnis vor dem VwGH nicht halten wird, vor allem deshalb, weil das BFG auch die Fahrtkostenersätze nach 6 Monaten ins Reich der Pflichtigkeit verwies, obwohl die abgabenrechtliche Beurteilung von Tagesgeldern und Fahrtkostenersätzen seit 1.1.2008 insoweit entkoppelt sind und im Falle einer Pflichtigmachung der Fahrtkostenersätze dann die "Kalendermonatsregelung" greifen müsste.

Aber dieses Verfahren ist nicht ungefährlich und wird wohl bis zum Sommer 2023 mit einem VwGH-Erkenntnis zu rechnen sein. Gut möglich (aber nicht sehr wahrscheinlich) ist, dass auch der VfGH noch mitmischt.
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