04.09.2019, 16:35
Kinderbetreuungsgeldvoraussetzung Hauptwohnsitz im Falle eines Leistungsexports
OGH 10 ObS 41/19f vom 8. August 2019
OGH 10 ObS 45/19v vom 30. Juli 2019
§ 8 Abs. 1 Z 2 KBGG
Sachverhalt:
So entschied der OGH:
Die Entscheidungsgründe des OGH:
Auf den WIKU-Punkt gebracht:
OGH 10 ObS 41/19f vom 8. August 2019
OGH 10 ObS 45/19v vom 30. Juli 2019
§ 8 Abs. 1 Z 2 KBGG
Sachverhalt:
· Eine in Ungarn wohnhafte Arbeitnehmerin, die in Österreich beschäftigt war, beantragte in Österreich das pauschale Kinderbetreuungsgeld.
· Die Kinder (Zwillinge) waren mit ihr und dem Vater an einer Adresse in Ungarn gemeldet.
· Nachdem die Mutter allerdings in Ungarn an zwei Adressen wohnsitzlich gemeldet war, konnte kein eindeutiger Hauptwohnsitz ausgemacht werden, zumal sich die ungarischen Meldebestimmungen von den österreichischen Regelungen unterschieden.
· Aus diesem Grund (also weil nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, dass die Mutter mit den Kindern an derselben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet war, weil sie zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Kinderbetreuungsgeldes an zwei verschiedenen Adressen gemeldet war) verweigerte die GKK die Zuerkennung des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes.
· Sowohl das Erst- als auch das Zweitgericht bestätigten die Ansicht der GKK (bestätigten also die Ablehnung des Kinderbetreuungsgeldes).
Der Oberste Gerichtshof hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies das Verfahren zurück an das Erstgericht, um ergänzende Feststellungen zu treffen.
1. § 2 Abs. 1 Z 4 KBGG setzt in Bezug auf den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld voraus, dass das (jeweilige) Kind sowie der „relevante“ Elternteil (der Kinderbetreuungs-geld) beantragt, jeweils den Mittelpunkt der Lebensinteressen (am gemeinsamen Hauptwohnsitz) in Österreich haben müssen.
2. In Fällen eines Leistungsexports ins EU/EWR-Ausland ist jedoch diese Regelung nicht in dieser Form zur Anwendung zu bringen, da sie sonst diskriminierend wirkt. Daher wird sie auch durch die entsprechenden Koordinierungsregeln der maßgeblichen EU-Verordnung (883/2004 sowie 1408/71) überlagert.
3. In derartigen Fällen reicht es aus, wenn eine „hauptwohnsitzliche Meldung“ gemäß dem im jeweiligen EU-Land eingerichteten System vorgelegt wird, wenn dieses System mit dem österreichischen Meldesystem vergleichbar ist.
4. Ist das jeweilige ausländische Meldesystem mit dem österreichischen Meldesystem nicht vergleichbar, so hat die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs. 6 KBGG (= gemeinsame hauptwohnsitzliche Meldung) zur Gänze unangewendet zu bleiben.
5. Betreffend das ungarische Melderecht gibt es Anhaltspunkte dafür, dass ein mit den österreichischen Regelungen vergleichbares System vorliegt. Allerdings gibt es Rechtsauffassungsunterschiede zwischen der Mutter und der zuständigen GKK, ob die Meldung an der „Aufenthaltsadresse“ der österreichischen Hauptwohnsitzmeldung entspricht (wie die Mutter meint) oder die Meldung am „ständigen Wohnsitz“ (wie die GKK meint).
6. „Aufenthaltsadresse“ und „ständiger Wohnsitz“ sind im Übrigen Begriffe aus dem ungarischen Melderecht. Das System ist somit vergleichbar, die Detailbegriffe sind allerdings unterschiedlich.
7. Aus diesem Grund muss nun das Erstgericht im „fortgesetzten Verfahren“ Feststellungen darüber treffen, welche der beiden Adressen rechtlich „eher“ als „Hauptwohnsitz“ zu gelten hat (und dies auch begründen).
Im Falle eines Leistungsexports beim Kinderbetreuungsgeld gilt in Bezug auf die Anspruchsvoraussetzung der gemeinsamen Hauptwohnsitzmeldung nach § 2 Abs. 6 KBGG Folgendes:
Sie hat außer Betracht zu bleiben, wenn im jeweiligen EU-Ausland kein dem österreichischen Meldesystem vergleichbares Meldesystem existiert.
Für den Fall, dass ein vergleichbares System existiert, müssen Feststellungen darüber getroffen werden, ob der gemeldete Wohnsitz dem Hauptwohnsitz nach österreichischem Recht entspricht.