Aus meinem Lehrbuch "Mein Personalverrechnungstrainer":
Kommt es im Laufe eines Dienstverhältnisses zu einer Änderung der Arbeitszeit (Reduktion oder Anhebung) und wird dabei auch die Arbeitstagezahl abgesenkt oder angehoben, so stellt sich die Frage, wie der noch nicht konsumierte Urlaub zu bewerten ist. Im Urlaubsgesetz gibt es dazu keine direkte Regelung.
A) Fallgruppe 1: Ausmaß der Arbeitszeit wird verändert, Arbeitstagezahl wird erhöht:
Die Vorgangsweise betreffend diese „Fallgruppe“ wurde mittlerweile vom Obersten Gerichtshof ganz klar entschieden. Hier favorisiert das Höchstgericht die sogenannte „wertneutrale Umrechnung“ des Urlaubsanspruchs.
Konkret bedeutet dies, dass zB 5 Wochen Urlaubsanspruch auch nach der Umrechnung das Ausmaß von 5 Wochen beibehalten sollen. Erhöht sich die zugrundliegende Einheit (hier: die Arbeitstage), so kommt es zur „wertneutralen Anpassung“.
Dabei wird der aktuelle unaliquotierte Urlaubsrestsaldo ermittelt (bzw. den Urlaubs-aufzeichnungen entnommen) und durch die alte Wochenarbeitstagezahl dividiert und mit der neuen Wochenarbeitstagezahl multipliziert. Das Ergebnis dieser Berechnung ist der „umgerechnete Urlaubsanspruch“. Aus dieser Berechnung resultierende Kommastellen sollten auf die nächste volle Stelle aufgerundet werden (OGH 8 ObA 35/12y vom 24. Oktober 2012 = WPA 2/2013, Artikel Nr. 44/2013).
Die Höhe des Urlaubsentgelts entspricht in diesen Fällen immer dem Entgelt, welches nach der Umstellung gebührt (also dem aktuellen Entgelt bei Urlaubskonsum und nicht jenem Entgelt, welches zum Zeitpunkt des Urlaubserwerbs aktuell war).
B) Fallgruppe 2: Ausmaß der Arbeitszeit wird verändert, Arbeitstagezahl wird reduziert:
Die Vorgangsweise betreffend diese Fallgruppe kann leider nicht als 100 %ig geklärt angesehen werden. Allerdings wurde vom OGH dazu im Jahr 2014 in wesentlichen Punkten Stellung bezogen (OGH 9 ObA 20/14b vom 22. Juli 2014 = WPA 18/2014, Artikel Nr. 486/2014):
Demnach ist eine schlichte „Kürzung“ des Urlaubsanspruchs aus Anlass der Arbeitszeit-reduktion nicht zulässig, da dies auch vom Europäischen Gerichtshofes als unzulässige Schlechterstellung angesehen wird. Der OGH meint allerdings, dass in der „Werk-tageverwaltung“, die als einzige Urlaubsverwaltungseinheit offiziell von gesetzgeberischer Seite im Urlaubsgesetz zugelassen ist, generell kein europarechtlicher Verstoß erblickt werden kann, da ja die Werktageurlaubszahl VOR der Arbeitszeitumstellung dieselbe ist wie NACH der Arbeitszeitreduktion.
Daraus ergibt sich der Tipp, dass bestehende Resturlaube im Zuge der Arbeitszeit-reduktion (wenn sich die Reduktion auch auf die Urlaubsverwaltung auswirkt wie zB bei Absenkung der Arbeitszeit von 5-Tage-Woche auf 3-Tage-Woche) auf Werktage umgerechnet werden sollten und nach der Umstellung die Werktageverwaltung dieses Ergebnis vorerst beibehalten werden sollte. Verlangt dann in weiterer Folge ein/e Arbeitnehmer/in Urlaub in einzelnen Arbeitstagen und nicht in ganzen Wochen (so wie des nämlich im Urlaubsgesetz als einzige Verbrauchseinheit vorgesehen ist), so darf dies als automatisches Zugeständnis von Arbeitnehmerseite gewertet werden, die Urlaubs-verwaltung in Arbeitstagen fortzuführen (Günstigkeitsprinzip = kleinere Verbrauchseinheit, die nicht vom Gesetz vorgesehen ist in Abtausch gegen die praxisnähere Urlaubs-verwaltungseinheit).
Das bedeutet, dass man daran anschließend wieder von Werktageverwaltung auf Arbeitstageverwaltung umsteigen darf, woraus erkennbar ist, dass der Oberste Gerichtshof „im Ergebnis“ die wertneutrale Umrechnung des Urlaubsanspruchs auch hier favorisiert, allerdings unter Beachtung eines rechtlichen „Slaloms“ wegen der strengen europa-rechtlichen Vorgaben (= EuGH C-486-08 vom 22. April 2010 = WPA 19/2010, Artikel Nr. 633/2010).
Eine weitere Variante der Vermeidung von unnötigen Umrechnungsdiskussionen ist naturgemäß der komplette Verbrauch des zum Zeitpunkt der Umstellung offenen Urlaubs, was allerdings in vielen Praxisfällen kaum machbar sein wird.
Die Höhe des Urlaubsentgelts entspricht auch in diesen Fällen immer dem Entgelt, welches nach der Umstellung gebührt (also dem aktuellen Entgelt und nicht jenem Entgelt, welches zum Zeitpunkt des Urlaubserwerbs aktuell war).
C) Fallgruppe 3: Ausmaß der Arbeitszeit wird verändert, Arbeitstagezahl bleibt gleich:
Kommt es zu einer Änderung der Arbeitszeit, bleibt dabei aber die Arbeitstagezahl gleich (z. B. wird von einer 40-Stunden-Woche auf eine 20-Stunden-Woche umgestellt, es werden dabei aber dennoch 5 Tage beibehalten), so ändert sich der Urlaubssaldo nicht. Allerdings wird dennoch das Urlaubsentgelt anhand der aktuellen Arbeitszeit bemessen und nicht anhand der früheren Arbeitszeit, zu welcher der Urlaub erworben wurde (OGH 8 ObA 35/12y vom 24. Oktober 2012 = WPA 2/2013, Artikel Nr. 44/2013).
Wird der Urlaub in Stunden verwaltet, so wird hier wohl analog zu Fallgruppe 1 (bei Anhebung der Stundenzahl) bzw. zu Fallgruppe 2 (Absenkung der Stundenzahl) vorzugehen sein. In letzterem Fall bedeutet dies eine vorläufige Umrechnung des Stundensaldos in Werktage sowie die Rückumwandlung in eine Stundenverwaltung, wenn von Arbeitneh-merseite stundenweiser Urlaub „verlangt“ und auch von Arbeitgeberseite genehmigt wird.
Demo 147
Urlaubsanspruch –
Anhebung des Arbeitszeitausmaßes
[img=177x212]file:///C:/Users/Willi/AppData/Local/Temp/msohtmlclip1/01/clip_image001.jpg[/img]
Arbeitnehmerin,
Eintritt: 1.2.2012
3-Tage-Woche (24 Stunden Wochen-NAZ),
stellt ab 1.8.2020 auf eine 5-Tage-Woche (38,5 Stunden NAZ) um,
der aktuelle Urlaub wurde noch nicht verbraucht,
vom alten Urlaub (Urlaubsjahr von 1.2.2019 bis 31.1.2020) sind noch 9 Urlaubstage offen,
wie wird der offene Urlaub im Zuge der Arbeitszeitumstellung neu bewertet?
Lösung:
Insgesamt stehen VOR der Umstellung 24 Arbeitstage als Urlaubssaldo zu (9 AT aus dem alten Urlaubsjahr + 15 AT aus dem aktuellen Urlaubsjahr).
Diese Zahl wird durch 3 dividiert und mit 5 multipliziert.
Das Ergebnis dieser Berechnung beträgt 40 Arbeitstage.
Wird nun NACH der Umstellung ein Urlaub konsumiert, der während der 3-Tage-Wochen-Phase des Dienstverhältnisses als Anspruch entstanden ist, so wird das Urlaubsentgelt auf Basis des aktuellen („höheren“) Entgelts ermittelt und nicht auf Basis jenes Entgelts, welches zum Zeitpunkt des Entstehens des Anspruches aktuell war.
Demo 148
Urlaubsanspruch –
Reduktion des Arbeitszeitausmaßes
[img=177x212]file:///C:/Users/Willi/AppData/Local/Temp/msohtmlclip1/01/clip_image001.jpg[/img]
Arbeitnehmerin,
Eintritt: 1.2.2012
5-Tage-Woche (38,5 Stunden Wochen-NAZ),
stellt ab 1.8.2020 auf eine 3-Tage-Woche (24 Stunden NAZ) um,
der aktuelle Urlaub wurde noch nicht verbraucht,
vom alten Urlaub (Urlaubsjahr von 1.2.2019 bis 31.1.2020) sind noch 17 Urlaubstage offen,
wie wird der Urlaub nach der Arbeitszeitumstellung bewertet?
Lösung:
Insgesamt stehen vor der Umstellung 42 Arbeitstage als Urlaubs-saldo zu (17 aus dem alten Urlaubsjahr + 25 aus dem aktuellen Urlaubsjahr).
Dieser Urlaubssaldo wird nun auf „Werktageeinheit“ umge-rechnet.
42 Arbeitstage an offenem Urlaub entsprechen insgesamt 50 Werktagen (je 5 Tage kommt 1 Tag dazu).
Diese 50 Werktage werden vorerst als Verwaltungseinheit geführt.
Konsumiert die Arbeitnehmerin ganzwöchigen Urlaub, so werden jeweils 6 Werktage abgebucht (Ausnahme: wenn ein Feiertag zwischen Montag und Samstag liegen sollte, so darf dieser Tag nicht als Urlaubswerktag abgebucht werden).
Sobald von Arbeitnehmerseite ein Urlaubskonsum verlangt wird, der nicht ganzwöchig ist (hier zB: der Wunsch an 1 oder 2 Tagen Urlaub konsumieren zu dürfen), darf von Arbeitgeberseite wieder auf Arbeitstageverwaltung rückumgestellt werden.
In unserem Fall bedeutet dies, dass 50 Werktage insgesamt 25 Arbeitstagen entsprechen (auf Basis der 3-Tage-Woche) = 50 : 6 x 3.