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EuGH-Frühwarnsystem vor Urlaubsverjährung gilt nach VwGH nicht für "selbstbestimmte Arbeitnehmer:innen"
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EuGH-Frühwarnsystem vor Urlaubsverjährung gilt nach VwGH nicht für "selbstbestimmte Arbeitnehmer:innen"


VwGH vom 20.12.2022, Ra 2021/12/0040

Art. 7 Arbeitszeit-RL 2003/88/EG

So entschied der VwGH:

1. Trat ein Beamter durch Erklärung vorzeitig in den Ruhestand, so konnte dies nicht dazu führen, dass er keinen Anspruch auf Urlaubsersatzleistung hätte (vgl. etwa EuGH 20. Juli 2016, C-341/15, Maschek).

2. Die Rechtsprechung des EuGH betreffend die Pflicht des Arbeitgebers zur Aufforderung zum Verbrauch des bezahlten Urlaubs unter Hinweis auf einen sonstigen Verfall betrifft die Konstellation einer erforderlichen Antragstellung durch den Arbeitnehmer, um seinen bezahlten Urlaub zu verbrauchen.

3. Zweck dieser Aufforderung ist, den Arbeitnehmer - als „schwächere Partei des Arbeitsvertrages“ - tatsächlich in die Lage zu versetzen, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen (vgl. etwa EuGH 6.11.2018, C-619/16, Kreuziger, Rn 48ff, mwN).

4. Im hier zu beurteilenden Fall wurde vom Landesverwaltungsgericht Tirol der Anspruch des Beamten auf Urlaubsersatzleistung auch deshalb zu Recht (wegen Verjährung) verneint, weil er als Geschäftsführer der T GmbH (durch "Dienstzuteilung") selbst für die Urlaubseinteilung und den Urlaubsverbrauch sämtlicher Dienstnehmer und auch für sich selbst verantwortlich war.

5. Die Beachtung der Verpflichtung des Arbeitgebers aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG kann nach der Rechtsprechung des EuGH etwa nicht so weit gehen, von diesem zu verlangen, dass er seine Arbeitnehmer zwingt, ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen (vgl. das bereits zitierte Urteil des EuGH Kreuziger, mwN).

Anmerkung:

Hier wurde vom - im Ruhestand befindlichen Beamten - im Februar 2020 der Antrag gestellt, es möge ihm eine Urlaubsersatzleistung für "offenen Urlaub" für sein per 1.5.2011 (!) beendetes Dienstverhältnis ausbezahlt werden.

WIKU-Praxisanmerkung:

Damit gibt es die erste höchstgerichtliche Judikatur im Anschluss an jene EuGH-Entscheidung, welche die "strengen Maßstäbe" betreffend Urlaubsverjährung (nachweisliche ausdrückliche Information an die Arbeitnehmer:innen plus "letztes Angebot auf eine Urlaubsvereinbarung" betreffend den von der Verjährung bedrohten Urlaub, im Herbst 2022 wiederholt hatte (EuGH vom 22.09.2022, C-120/21, C-518/20, C-727/20 = WPA 20/2022, Artikel Nr. 462/2022), wenngleich der VwGH auf dieses jüngere Judikatur nicht ausdrücklich Bezug nimmt.

Für die Praxis der Privatwirtschaft scheinen die Konsequenzen dieses Erkenntnisses aber insoweit in die Richtung zu gehen, als dort, wo man es als Arbeitnehmer:in selber in der Hand hat, seinen Urlaubsantritt zu bestimmen, also seinen Urlaub nicht "beantragen" muss (zB wie hier als handelsrechtlicher GmbH-Geschäftsführer), sich auch nicht auf dieses vom EuGH reklamierte Vorverfahren berufen kann, wenn sich dann der Arbeitgeber auf den Eintritt der Verjährung beruft.
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