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Im Kollektivvertrag sind für Sonntagsüberstunden 100 % Zuschlag geregelt – laut OGH müssen es aber 200 % sein
#1
Im Kollektivvertrag sind für Sonntagsüberstunden 100 % Zuschlag geregelt – laut OGH müssen es aber 200 % sein
OGH vom 27.09.2023, 9 ObA 55/23p
KV Elektrizitätsversorgungsunternehmen (Arbeiter-Version)
Gehen zwei Richter durch den Park und unterhalten sich. Plötzlich kommt jemand mit zerrissener Hose um die Ecke gelaufen und brüllt einen der beiden an: „Ihr Hund hat meine Hose zerrissen“. Der solcherart „Angebrüllte“ reicht ihm € 200,00 und meinte, dass dies hoffentlich für die Anschaffung einer neuen Hose reichen sollte. Nun schaltet sich aber der Kollege ein und sagt: „Sag mal: du hast gar keinen Hund, was soll das?“ Meint der „vermeintliche Hundebesitzer“: „Ja, das wissen wir beide; aber wer weiß, wie das Gericht das sieht“.
 
So entschied der OGH:
1.    Sieht ein Kollektivvertrag (hier: Elektrizitätsversorgungsunternehmen – Arbeiter-KV) für geleistete Sonntagsarbeit einen Zuschlag in Höhe von 100 % vor (Abschnitt XVIII lit. a) und regelt er „zusätzlich“ (konkret: in Abschnitt XVIII lit. c), dass für geleistete Überstunden an Sonntagen auch ein Zuschlag in Höhe von 100 % gebührt, so bedeutet dies, dass für Überstunden, die an Sonntagen geleistet werden, insgesamt ein Zuschlag von 200 % zusteht.
 
Anmerkung:
Im Kollektivvertrag steht also, dass für geleistete Sonntagsüberstunden ein Zuschlag von 100 % gebührt. Der OGH meint, dass dann – weil für Normalarbeitszeit am Sonntag auch ein Zuschlag von 100 % gebührt, dieser Überstundenzuschlag daher 200 % betragen muss. Das kann man sich nicht ausdenken, zu absurd ist einfach dieses Interpretationsergebnis.
 
2.    Der Angestellten-KV der Elektrizitätsversorgungsunternehmen sieht – im Gegensatz zur „Arbeiter-KV-Version“ – für derartige Fälle (bei denen mehrere Zuschläge gleichzeitig gebühren) eine Deckelung nach oben vor (§ 5 Abs. 10d).
 
Anmerkung:
Im Angestelltenkollektivvertrag ist man also vor diesem Auslegungsergebnis gefeit, weil man dort „zur Sicherheit“ noch einmal einen Deckel eingezogen hat. Merke: ein Deckel kann mitunter nicht schaden.
 
Frage: Ist das nicht verdächtig, dass das Ergebnis des Angestellten-KV (gemeinsames Lohn- und Gehaltsschema) ein so viel anderes Resultat hier vorsieht und könnte man den Deckel aus dem Angestellten-KV nicht in den Arbeiter-KV hineinreklamieren (quasi: im Analogieweg)?
 
Dazu der OGH:
 
·         Die in den Kollektivverträgen für Elektrizitätsunternehmen unterschiedliche Behandlung der Vergütung von Überstundenarbeit, die an einem Sonntag geleistet wird, für Arbeiter und Angestellte ist auch im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes nicht per se unsachlich.
·         So wie es dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums unbenommen ist, für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen Unterschiedliches zu regeln, um seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (vgl 9 ObA 131/19h), muss dies auch für die Kollektivvertragsparteien gelten.
·         Eine völlige Angleichung von Arbeitern und Angestellten hat auch der Gesetzgeber (bislang) nicht vorgenommen.
·         Für eine analoge Anwendung einzelner Regelungen in anderen Kollektivverträgen bleibt schon aufgrund der unterschiedlichen persönlichen Geltungsbereiche der genannten Kollektivverträge kein Raum.
 
 
Frage: Wie „rechtfertigt“ der OGH das Auslegungsergebnis grundsätzlich?
·         Der Sonntagszuschlag von 100 % gebührt für jede Sonntagsarbeit (???).
·         Die Kollektivvertragsparteien wollen hier offenkundig mit dem Zuschlag von 100 % für die Sonntagsarbeit (auch wenn sie nicht Überstundenarbeit ist) die Beeinträchtigung der dem Arbeitnehmer im Regelfall gebührenden Wochenendruhe, in die gemäß § 3 Abs 1 ARG der Sonntag zu fallen hat, abgelten.
·         Die geleistete Überstundenvergütung (bzw der gewährte Zuschlag) bezweckt dagegen im Regelfall bloß die absolute Arbeitsbelastung ab einer bestimmten Arbeitszeitgrenze bzw Arbeitszeitlänge besonders abzugelten (vgl etwa 9 ObA 121/19p [Pkt I.9.]).
·         Die KV-Regelung stuft die Mehrarbeit betreffend bestimmter Arbeitszeiten als besonders belastend ein, wobei die finanzielle Mehrbelastung des Arbeitgebers wohl auch dazu dienen soll, den Arbeitgeber dazu anzuhalten, wirklich nur in begründeten Fällen davon Gebrauch zu machen.
 
Anmerkung:
·         Zusätzlich – und das erspare ich nun meinen Leser:innen nun im Detail – meinte der OGH, dass man ja im Arbeiter-KV auch zwischen Normalarbeitszeit am gesetzlichen Feiertag und an gesetzlichen Feiertagen geleistete Überstunden betreffend die Zuschlagshöhe ausdrücklich unterscheiden würde (50 % Zuschlag für die Normalarbeitszeit und 100 % für Überstunden).
·         Warum sollten denn die KV-Partner die Sonntagsarbeit „anders“ regeln wollen (nämlich NICHT zwischen Normalarbeitszeit und Überstunde zu unterscheiden, was die Zuschlagshöhe betrifft) als die Feiertagsarbeit.
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