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Übermittlung eines eingescannten und unterschriebenen Auflösungsschreibens per e-mail
#1
Übermittlung eines eingescannten und unterschriebenen Auflösungsschreibens per e-mail kann das vertraglich vereinbarte Schriftlichkeitsgebot erfüllen!

OGH 8 ObA 5/20y vom 24. April 2020

§ 886 Abs. 1 ABGB

§ 12 ECG

1. Nach § 886 Satz 1 ABGB kommt ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, durch die Unterschrift der Parteien (…) zustande. Die Schriftform erfordert somit grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift unter dem Text.

2. Das Erfordernis der Schriftform soll ganz allgemein gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können.

3. Darüber hinaus ist jedes Formgebot auf seinen Zweck zu untersuchen.

4. Daher ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein Schriftformgebot nach dem konkreten Formzweck auch dann eingehalten ist, wenn das eigenhändig unterfertigte Schriftstück bloß unter Einsatz elektronischer Medien übermittelt wird

5. Wurde im Arbeitsvertrag eines Dienstnehmers geregelt, dass der Übergang von der anfänglichen Befristung in ein unbefristetes Dienstverhältnis ausdrücklich und schriftlich widerrufen werden müsste, so kann die Übermittlung eines eingescannten Auflösungsschreibens durch den Arbeitgeber via e-mail an die Firmen-e-mail-Adresse des Arbeitnehmers am letzten Tag der Befristung dennoch ausreichend sein.

6. Diese Erklärung bringt das Festhalten an der Befristung zum Ausdruck und verhindert lediglich die (schlüssige) Überleitung in ein unbefristetes Dienstverhältnis.

7. Erkennbar zielt das Formgebot hier in erster Linie auf die Schaffung von Rechtssicherheit ab.

8. Demgegenüber tritt dessen Bedeutung für eine Überprüfung der Berechtigung der Erklärung, in den Hintergrund, zumal eine solche „Auslaufmitteilung“ – anders als eine Kündigung (siehe dazu OGH 9 ObA 110/15i = WPA 22/2020, Artikel Nr. 578/2015) keiner Kündigungsanfechtung unterliegt.

9. Dem Arbeitnehmer wurde einige Tage vor dem Auslaufen der Befristung im Zuge eines Gesprächs durch die Personalabteilung mitgeteilt, dass man das Beschäftigungsverhältnis nicht fortsetzen würde. Das dazugehörige Schriftstück war vom Geschäftsführer noch nicht unterzeichnet und konnte daher zu diesem Zeitpunkt nicht übergeben werden.

10. Eine Übergabe in den kommenden Tagen daran, dass der Arbeitnehmer - salopp formuliert - für die restliche Zeit in den Krankenstand ging und für den Arbeitgeber nicht mehr (telefonisch) erreichbar war.

11. Wenn man bedenkt, dass der E-Mail-Verkehr in geschäftlichen Angelegenheiten nicht nur allgemein, sondern besonders hier im Arbeitsverhältnis zwischen den Vertragsparteien üblich war und der Anhang eines E-Mails (anders als ein per WhatsApp übermitteltes Foto; OGH 9 ObA 110/15i vom 28. Oktober 2015 = WPA 22/2015, Artikel Nr. 578/2015) leicht ausgedruckt werden kann, so erfüllte die Übermittlung des eingescannten Auflösungsschreibens als Anhang eines E-Mails die im Dienstvertrag vereinbarte Schriftform.

12. Die Vorgangsweise der Arbeitgeberin trägt sowohl der Klarstellungs- als auch der Beweisfunktion des Formgebots Rechnung, zumal der Arbeitnehmer schon nach dem Gespräch mit der Personalabteilung keinen Zweifel über die Nichtfortsetzung des Dienstverhältnisses – also über den Inhalt der späteren Erklärung – haben konnte.

13. Selbst wenn der Arbeitnehmer – wie er behauptet – nicht über einen eigenen Drucker verfügen sollte, erwächst ihm kein ersichtlicher Nachteil daraus, von der Beklagten nicht unmittelbar eine „Hardcopy“ erhalten zu haben, weil der Anhang eines E-Mails problemlos (auch an allfällige Beratungsstellen) weitergeleitet werden kann.

14. Nach der Bestimmung des § 12 Satz 1 ECG gelten elektronische Vertragserklärungen, andere rechtlich erhebliche elektronische Erklärungen und elektronische Empfangsbestätigungen als zugegangen, wenn sie die Partei, für die sie bestimmt sind, unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann. Eine Kenntnisnahme dieser Erklärungen durch den Empfänger wird nicht vorausgesetzt; maßgeblich ist vielmehr die Möglichkeit der Kenntnisnahme „unter gewöhnlichen Umständen“.

15. Nach den Feststellungen war das E-Mail samt Anhang für den Arbeitnehmer noch am Nachmittag des letzten Befristungstages abrufbar. Dass er es krankheitsbedingt nicht hätte abrufen können, behauptet er gar nicht. Dies stünde auch in Widerspruch dazu, dass er am selben Tag seine Firmen-E-Mail-Adresse benutzte, um sich krank zu melden und um zwei berufliche Termine abzusagen, womit er seine Erreichbarkeit per E-Mail zu erkennen gab, bevor er am darauffolgenden Tag (= Tag nach dem Ende der Befristung) wieder in den Büroräumlichkeiten erschien und sich arbeitsbereit meldete.


Praxisanmerkung:

Nach dieser OGH-Entscheidung scheint aus meiner Sicht nun klargestellt zu sein, dass ein vereinbartes oder im Kollektivvertrag geregeltes Formgebot der "Schriftlichkeit" auch dann erfüllt ist, wenn die jeweilige Erklärung "unterschrieben und eingescannt" per e-mail übermittelt wird, wenn man davor schon die Auflösungsabsicht mitgeteilt hat und eine persönliche Übergabe des Auflösungsschreibens scheitert.

Als "Notmaßnahme" ist diese Vorgangweise mit Sicherheit tauglich, wenngleich ich sie nicht von Haus aus generell anwenden würde, sondern nur unter den dargestellten Umständen (klare Vorverständigung über den Inhalt und Unmöglichkeit zur Übergabe eines Schriftstücks).

Gänzlich tabu sollte allerdings eine Übermittlung über einen Nachrichtendienst wie Whatt´s app oder Telegram sein, wenn die Schriftform der jeweiligen Erklärung vereinbart oder zB durch Gesetz oder Kollektivvertrag vorgegeben ist.

Somit sollte man auch weiterhin im Falle der vereinbarten oder vorgegebenen Schriftform auf die persönliche Übergabe eines unterfertigten Schreibens setzen.

Spannend erscheint mir auch die Feststellung zu sein, dass es in Bezug auf die rechtzeitige Übermittlung nicht darauf ankommt, dass der Erklärungsempfänger die e-mail auch am betreffenden Tag gelesen hat, sondern dass er sie hätte lesen können.
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