02.03.2021, 13:38
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 05.03.2021, 17:12 von Wilhelm Kurzböck - WIKU.)
IESG-Sicherung der offenen Entgelte einer zur Verlassenschaftskuratorin bestellten Arbeitnehmerin
OGH 8 ObS 8/20i vom 23. Oktober 2020
§ 1 IESG
§ 276 ABGB
Die Entscheidung des OGH:
1. Wurde eine Arbeitnehmerin, nachdem ihr Arbeitgeber (ein Einzelunternehmer) verstorben war, vom Verlassenschaftsgericht zur Verlassenschaftskuratorin bestellt und wurde über die Verlassenschaft in weiterer Folge die Insolvenz eröffnet, so waren die ausständigen Bezüge dieser Arbeitnehmerin nach dem IESG gesichert.
2. Im vorliegenden Fall beschränkten sich die Befugnisse der Verlassenschaftskuratorin auf
· die Leistung der laufenden Zahlungen vom Firmenkonto,
· die Durchführung von Bestellungen,
· die Verwaltung der Post und
· die Funktion als Ansprechpartnerin der anderen Arbeitnehmer.
· Sie hatte keinen Kreditrahmen für das Firmenkonto und es war ihr auch nicht erlaubt, größere Zahlungen ohne Rücksprache durchzuführen. Alle Mitarbeiter wussten, was zu tun war; hätte es Probleme mit Mitarbeitern gegeben, hätte die Klägerin ebenfalls bei der Gerichtskommissärin nachgefragt. Die Zahlung der Gehälter erfolgte durch die Steuerberatungskanzlei.
3. In Anbetracht dieser Aufgaben ging die Arbeitnehmereigenschaft nicht verloren.
4. Bei diesem beschränkten Aufgabenkreis der Kuratorin, der nicht über die Pflichten und Rechte einer angestellten Filialleiterin hinausging und weder Führungsaufgaben (insbesondere auch keine Befugnis zur Einstellung oder Kündigung von Arbeitnehmern) noch unternehmerische Entscheidungen beinhaltete, kann hier nicht die Rede davon die Rede sein, dass sie wesentlichen Einfluss auf die Betriebsführung gehabt hätte oder Arbeitgeberfunktionen ausgeübt hat.
5. Auf eine allfällige Weisungsfreiheit der Kuratorin im Rahmen der übertragenen Aufgaben käme es wegen der Einbeziehung der freien Dienstverhältnisse in § 1 Abs 1 IESG nicht an. Nach den Feststellungen (siehe oben) lag sie aber auch nicht vor, war sie doch in über das Alltagsgeschäft hinausgehenden Angelegenheiten an die Genehmigung des Gerichts oder der Gerichtskommissärin gebunden.
6. Die tragenden Begründungen der gegenteiligen Entscheidung (OGH 8 ObS 268/98i vom 8. Juli 1999), in der die offenen Entgelte einer Verlassenschaftskuratorin nicht als IESG-gesichert beurteilt wurden, können nicht mehr aufrecht erhalten werden, da in der Zwischenzeit § 1 IESG mehrfach novelliert wurde.