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Berufsunfähigkeit wegen einer massiven Angststörung als Folge von vier Tagen Einsatzleitung zur Umleitung von Flüchtlingsströmen auf österreichischem Bahnhof – kein Arbeitsunfall – keine Unfallrente
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OGH 10 ObS 48/21p vom 19. Mai 2021

§ 175 ASVG

§ 90 Abs. 1 B-KUVG

Die Entscheidung des OGH:

1. Ein psychisches Trauma kann ursächlich für einen Arbeitsunfall sein, wenn spezielle berufsbedingte Umstände beim Versicherten einen Schock, dh eine schlagartig auftretende schwere psychische Erschütterung oder reaktive Depression mit der Vorstellung bewirken, sich in einer aussichtslosen Situation zu befinden.
2. Betriebliche Ereignisse, die nicht im Einzelnen, sondern erst in ihrer Gesamtheit eine messbare Gesundheitsstörung zur Folge haben, sind kein Arbeitsunfall, wenn sie in einer über eine Arbeitsschicht hinausgehenden Zeit eintreten (hier: psychische Beeinträchtigung als Folge von vier Schichttagen als Einsatzleiter eines Polizeieinsatzes an einem österreichischen Bahnhof zur Weiterleitung von Flüchtlingsströmen).
3. Bei Verteilung mehrerer physischer oder psychischer Ereignisse über einen über eine Arbeitsschicht hinausgehenden Zeitraum ist „Plötzlichkeit“ – und damit ein Arbeitsunfall im Sinn der gesetzlichen Unfallversicherung – nur dann zu bejahen, wenn sich ein oder mehrere Ereignisse (Einwirkungen) innerhalb einer bestimmten Arbeitsschicht aus der Gesamtheit der Ereignisse (Einwirkungen) so herausheben, dass sie nicht bloß eine (insbesondere die letzte) unter mehreren gleichwertigen Ursachen der Schädigung sind, sondern für die Schädigung wesentliche Bedeutung haben, diese also alleine wesentlich bedingen.

WIKU-Praxisecho:

• Vier Einsatztage auf einem österreichischen Bahnhof als Einsatzleiter der Polizei haben Spuren hinterlassen.
• Vier Jahre, nachdem der Polizist diese Einsätze zur Sicherstellung der Umleitung von Flüchtlingsströmen auf diesem Bahnhof geleitet hatte, ging dann im Jahr 2019 nichts mehr und er war aus seiner Sicht berufsunfähig.
• So musste er nach diesen vier Einsatztagen im Jahr 2015 nach und nach aufgrund einer sich immer stärker ausbreitenden Angststörung Plätze meiden, auf denen sich vie-le Leute aufhielten.
• Es hielten sich damals auf einmal bis zu knapp 3000 Flüchtlinge auf dem Bahnhof auf, die versuchten, den Anschlusszug zu erwischen, wobei dann eine Mutter mit ihrem Kind am Absperrgitter eingeklemmt wurden und er ihnen nicht helfen konnte. Hinzu traten noch massive sanitäre Missstände. Insgesamt war er auf diese Dimension des Einsatzes definitiv nicht vorbereitet gewesen bzw. auch nicht vorab über die Lage informiert worden.
• Das Gefühl der Hilflosigkeit, weder für die eigene Sicherheit noch für jene der Arbeitskollegen (als Einsatzleiter) sorgen zu können (geschweige denn für die übrigen am Bahnhof aufhältigen Leute), hinterließ schleichend über die Jahre immer mehr psychische Spuren (posttraumatische Belastungsstörungen).
• Nach Ansicht seiner Sozialversicherungsanstalt sowie nach Ansicht des OGH lag kein Arbeitsunfall vor, weil sich die Ereignisse auf vier Arbeitsschichten verteilten (es man-gelte also an der erforderlichen zeitlichen Eingrenzung und – angeblich – der Vorfall mit Kind und Mutter zu wenig an Intensität aufwies, um als „Unfall“ gelten zu können.
• Damit gab es auch nicht die ersehnte Unfallrente.
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