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Hochrechnung des Entgelts bei untermonatigem Eintritt zwecks Feststellung der Geringfügigkeit oder Vollversicherung nicht immer geboten
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Hochrechnung des Entgelts bei untermonatigem Eintritt zwecks Feststellung der Geringfügigkeit oder Vollversicherung nicht immer geboten

VwGH Ra 2021/08/0079 vom 09. September 2021
§ 5 Abs. 3 Z 1 ASVG


So entschied der VwGH:

1. Gemäß § 5 Abs. 3 Z 1 ASVG liegt kein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis vor, wenn das im Kalendermonat gebührende Entgelt die monatliche Geringfügigkeits-grenze nur deshalb nicht übersteigt,
a. weil infolge Arbeitsmangels im Betrieb die sonst übliche Zahl von Arbeitsstunden nicht erreicht wird (Kurzarbeit) oder
b. die für mindestens einen Monat oder auf unbestimmte Zeit vereinbarte Beschäftigung im Lauf des betreffenden Kalendermonates begonnen oder geendet hat oder unterbrochen wurde.

2. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis VwGH 20. Februar 2020, Ra 2019/08/0156 = WPA 11/2021, Artikel Nr. 208/2020, hervorgehoben hat, darf es also „nur“ auf einen der genannten Gründe (hier: Beginn der Beschäftigung im Lauf des Kalendermonats) zurückzuführen sein, dass die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten wird.

3. Steht es dem Dienstnehmer frei, das Ausmaß seiner Arbeitszeit selbst festzulegen, so kann in der Regel nämlich gerade nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass er bei einem früheren Beginn des Beschäftigungsverhältnisses (früher als während des Kalendermonats) die gleichen Arbeitsleistungen pro Tag oder Woche erbracht hätte wie in der Zeit der tatsächlichen Beschäftigung im „Rumpfmonat“.

4. Im vorliegenden Fall war es vielmehr - auch unter Bedachtnahme auf das Arbeitsausmaß im ersten vollen Beschäftigungsmonat, in dem der Dienstnehmer ein Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze erzielte - naheliegend, dass er seine Arbeitszeiten auch bei einem früheren Beginn des Beschäftigungsverhältnisses so gewählt hätte, dass die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten worden wäre.

5. Besteht aber kein Hinweis auf eine umfangreichere Arbeitspflicht (bzw. bei - wie hier - freier Zeiteinteilung auf eine umfangreichere tatsächliche Arbeitsleistung) bei einem vereinbarten früheren Beginn des Dienstverhältnisses im betreffenden Monat bzw. auf einen damit verbundenen höheren Entgeltanspruch, so ist es nicht zulässig, das erzielte Entgelt auf den gesamten Monat fiktiv hochzurechnen (vgl. auch die vom Entscheidung VwGH 13.10.2020, Ro 2016/08/0005 = WPA 10/2021, Artikel Nr. 264/2021 ) oder der Berechnung eine bestimmte fiktive Arbeitszeit zugrunde zu legen.


WIKU-Praxisanmerkung:
Auffällig ist, dass diese jüngeren – hier auch zitierten – VwGH-Erkenntnisse, so wie das vorliegende – nicht Ergebnisse von GPLB-Prüfungen waren, sondern Rückforderungen des Arbeitslosengeldes durch das AMS, welches dieses Hochrechnungsregelung des ASVG völlig missinterpretiert.

Wenn man weiters bedenkt, wie hoch die „Dunkelziffer“ jener ist, die sich nicht gegen derartige Rückforderungen wehren (können), bleibt einzig hoffen, dass sich nun auch die Verwaltungspraxis ändert.
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