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Sozialplan: Ressourcenumverteilung muss nicht unbedingt eine Restrukturierungsmaßnahme im Sinne einer „Betriebsänderung“ sein
#1
Sozialplan: Ressourcenumverteilung muss nicht unbedingt eine Restrukturierungsmaßnahme im Sinne einer „Betriebsänderung“ sein

OGH vom 26.07.2023, 9 ObA 45/237
§ 109 Abs 1 Z 1 bis 6 ArbVG

Sachverhalt:

Im Rahmen eines Restrukturierungsprogrammes kam es zur Auslagerung von bestimmten Tätigkeitsbereichen und in dessen Gefolge auch zu Filialschließungen.

Aus diesem Grund wurde auch ein Sozialplan erarbeitet, der im Rahmen einer Betriebsvereinbarung „Abfederungsmaßnahmen“ vorsah wie zB Sozialplanzahlungen in Form von freiwilligen Abfertigungen.

Eine Arbeitnehmerin wurde zudem gekündigt, weil man innerhalb der Zentrale Aufgaben umverteilte. Für die neuen Aufgaben, die sie hätte übernehmen sollen, fehlte ihr aber die Qualifikation, weshalb das Unternehmen die Kündigung aussprach.

Jedoch wurden ihr die Abfederungsmaßnahmen des Sozialplanes verweigert.

Zu Recht, wie der OGH befand.

So entschied der OGH:

A) Zur Auslegung von Sozialplänen:

Der normative Teil von (hier: Sozialplan-)Betriebsvereinbarungen ist nach den für die Interpretation von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6, 7 ABGB) auszulegen.

Die für die Interpretation von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen normierten Grundsätze des ABGB haben daher keine Anwendung zu finden.

In erster Linie ist bei der Auslegung von Betriebsvereinbarungen deshalb der Wortsinn zu erforschen und die sich aus dem Text ergebende Absicht der Parteien der Betriebsvereinbarung zu berücksichtigen.

Der typische Zweck des Sozialplans, die sich aus einer betrieblichen Änderung für alle oder einen erheblichen Teil der Arbeitnehmerschaft ergebenden wesentlichen Nachteile zu verhindern, zu beseitigen oder zu mildern, ist bei der Auslegung des Sozialplans ebenfalls zu berücksichtigen.

B) Der Zweck von Sozialplanbetriebsvereinbarungen:

Nach § 97 Abs. 1 Z 4 ArbVG dürfen in Betriebsvereinbarungen „Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der Folgen der Betriebsänderung im Sinne des § 109 Abs 1 Z 1 bis 6 ArbVG, sofern diese wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich bringt“, geregelt werden.

C) Ressourcenverlagerungen sind keine Restrukturierungsmaßnahmen:

Will man nun den Betriebsvereinbarungsparteien nicht unterstellen, dass sie ihre Regelungsbefugnis überschreiten wollten, so kann der Begriff „Umstrukturierungsmaßnahmen“ nur so verstanden werden, dass damit ausschließlich Betriebsänderun-gen im Sinne des § 109 Abs 1 Z 1 bis 6 ArbVG gemeint sind.

Unter diesem Blickwinkel stellt eine „Ressourcenverlagerung“ in der Abteilung der vom Arbeitgeber gekündigten Arbeitnehmerin stelle keine Betriebsänderung im Sinne des § 109 Abs 1 Z 1 bis 6 ArbVG dar, die wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich brächte (vgl § 109 Abs 3 ArbVG).

Da die Arbeitnehmerin aufgrund ihrer mangelnden fachlichen Qualifikation für einen nicht unwesentlichen Teil der ihr nach dem Arbeitsvertrag zukommenden Aufgaben fachlich nicht geeignet war, fiel sie auch nach der Dienstgeberkündigung nicht unter die Betriebsvereinbarung, da die Betriebsvereinbarung sich auf Restrukturierungsmaß-nahmen bezog, worunter Änderungen in der  „Ressourcenverteilung“ nicht zu reihen sind.

Der Abbau eines in unproduktiven Bereichen bestehenden Personalüberstandes und die Ersetzung durch höher qualifizierte Mitarbeiter in produktiveren Bereichen mag zwar eine klassische Rationalisierungsmaßnahme darstellen, doch beschränkte sich die-se Maßnahme (§ 109 Abs 1 Z 6 ArbVG) in ihrer personellen Auswirkung lediglich auf die Kündigung dieser einen Arbeitnehmerin. Daher liegt hier auch keine Maßnahme von erheblicher Bedeutung vor.

Die (bloße) Ressourcenverlagerung stellt aber auch keine Änderung in der Betriebsorganisation (§ 109 Abs 1 Z 6 ArbVG) dar, weil damit weder der Betriebsaufbau noch die hierarchischen Strukturen in der Zentrale der Arbeitgeberin grundlegend ver-ändert wurden.

Zur Beurteilung der Frage, ob die gekündigte Arbeitnehmerin nicht doch in den Geltungsbereich des Sozialplans fallen könnte, weil nicht auf eine einzelne Reorganisationsmaßnahme abgestellt werden sollte, sondern das Gesamtbild aller Maßnahmen, die zur Verbesserung der Ertragslage der Arbeitgeberin beitragen sollten, entscheidend sein sollte, ist ein Satz aus der Betriebsvereinbarung maßgeblich. Demnach sollte nur für jene Mitarbeiter, die im Zuge der Restrukturierung „persönlich“ von Umstrukturierungsmaßnahmen durch Auflösungen ihres Dienstverhältnisses betroffen waren, die Sozialbetriebsvereinbarung gelten.

Dies war hier aber nicht der Fall.

Die Arbeitnehmerin war weder von der Ausgliederung des Risikomanagements noch von Filialschließungen und den dadurch bedingten Kündigungen von Mitarbeitern (persönlich) betroffen. Die Ressourcenverschiebung in der Zentrale stellte aber keine Betriebsänderung im Sinne des § 109 Abs 1 Z 1 bis 6 ArbVG dar.
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