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Ersatzpflicht von Sachverständigenkosten im Auftrag eines Europäischen Betriebsrates durch Konzernspitze
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Ersatzpflicht von Sachverständigenkosten im Auftrag eines Europäischen Betriebsrates durch Konzernspitze

OGH vom 29.08.2023, 8 ObA 28/23k
§§ 186 Abs. 2 und 197 ArbVG

So entschied der OGH:

1. Gemäß § 197 ArbVG sind die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Europäischen Betriebsrats und des engeren Ausschusses anfallenden Kosten gemäß § 186 ArbVG von der zentralen Leitung (hier: die Konzernspitze) zu tragen.

2. Nach § 186 Abs 2 ArbVG gehören dazu die für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben erforderlichen Verwaltungsausgaben, insbesondere die für die Veranstaltung der Sitzungen und jeweils vorbereitenden und nachbereitenden Sitzungen an-fallenden Kosten einschließlich der Dolmetschkosten und der Kosten für jedenfalls einen Sachverständigen sowie die Aufenthalts- und Reisekosten für die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums und für jedenfalls einen Sachverständigen.

3. Sowohl die relevante EU-Richtlinie als auch die Regelungen des ArbVG sprechen in diesem Zusammenhang von Sachverständigen „seiner Wahl“.

4. Damit sind Belegschaftsvertretungen und damit auch der „Europäischer Betriebsrat“ nicht verpflichtet, sich bei Rechtsfragen nur von Interessensvertretungen (Arbeiterkammer oder ÖGK) (kostenlos) beraten zu lassen.

5. Aufgabe eines Sachverständigen ist es, die fehlende Sachkunde des Europäischen Betriebsrats zu ersetzen, ihn also hinsichtlich konkreter – sich häufig auf mehrere Rechtsordnungen erstreckende – Fragestellungen zu beraten, um ihn in die Lage zu versetzen, die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber sachkundig führen zu können. Die Auswahl des Sachverständigen hat sich daher an dem Inhalt und der Bedeutung der zu behandelnden Fragen zu orientieren.

6. § 186 ArbVG sieht eine Beschränkung auf die „erforderlichen Verwaltungsausgaben“ vor, was bewirkt, dass ein Ersatz von höheren als den für die erbrachte Sachverständigenleistung angemessenen Kosten nicht zusteht. Somit scheidet nicht nur bei einer bewusst missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen ein Ersatzanspruch aus.

7. Dass im vorliegenden Fall vom Europäischen Betriebsrat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben wurde und zwar nicht an einen Rechtsanwalt, bedeutet zudem nicht, dass die der Höhe nach „angemessenen Kosten“ nach dem RATG zwingend zu be-schränken wären.

8. Ob sich der beigezogene Sachverständige weiterer Subsachverständiger zur Erbringung seiner Leistung bedient, ist dabei letztlich nicht ausschlaggebend, soweit dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen. Dagegen können Kosten, die durch die Koordination mehrerer zu jeweils unterschiedlichen konkreten Fragestellungen – Fachgebieten – erforderlichen Sachverständigen entstehen.

9. Unstrittig ist, dass der Inhalt jener Frage, welche die Beratungsleistungen erforderten wie der Umfang der Informations- und Anhörungsrechte insbesondere in Zusammenhang mit der Einführung von Systemen zur Überwachung von Mitarbeitern und deren Arbeitsgeschwindigkeit sowie Erwerb einer in mehreren EU-Staaten tätigen Unter-nehmensgruppe mit rund 1.100 Mitarbeitern – die grundsätzliche Inanspruchnahme von Sachverständigenleistungen iSd §§ 186, 197 ArbVG rechtfertigt.
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