Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Entgeltfortzahlungsanspruch für eine von einer tschechischen Behörde verhängten Quarantäne
#1
Entgeltfortzahlungsanspruch für eine von einer tschechischen Behörde verhängten Quarantäne

OGH vom 29.08.2023, 8 ObA 48/23a
§ 32 Abs. 5 Epidemiegesetz

So entschied der OGH:


1. Wurde ein Dienstnehmer, der in Tschechien seinen Hauptwohnsitz hatte und der in Österreich arbeitete und während der Arbeitswoche in der Nähe seines Arbeitsplatzes in einer Unterkunft wohnte, von einer tschechischen Behörde „abgesondert“, so hatte er für die Absonderungszeit gegenüber seinem Arbeitgeber einen Entgeltsfortzahlungsanspruch nach § 32 des Epidemiegesetzes.

2. Dass die Absonderung durch eine österreichische Behörde hätte erfolgen müssen, damit dieser Entgeltsfortzahlungsanspruch hätte bestehen können, wurde bereits vom EuGH bzw. vom VwGH sinngemäß als europarechtswidrig beurteilt (in diesem Verfahren ging es zwar um die Rückvergütung für einen Arbeitgeber, aber die vorgelagerte Frage des Entgeltsfortzahlungsanspruchs des einzelnen abgesonderten Arbeitnehmers ist diesbezüglich nicht anders zu beurteilen).

3. Dieser Entgeltsfortzahlungsanspruch nach dem Epidemiegesetz war und ist nicht nachrangig gegenüber anderen Entgeltsfortzahlungsansprüchen (zB gegenüber § 1154b Abs. 5 ABGB).

4. Zwar erfolgte die diesbezügliche „Klarstellung“ erst per 1.7.2022, jedoch war diese strittige Regelung (Anrechnung oder Nichtanrechnung) aufgrund der über die Gesetzeserläuterungen geäußerten Absicht des Gesetzgebers, für eine „Klarstellung“ sorgen zu wollen, auch in Bezug auf Zeiträume vor dem 1.7.2022 zur Anwendung zu bringen.

5. Die Quarantäne dauerte im hier zu beurteilenden Fall insgesamt 10 Tage, weshalb der Arbeitgeber (ein Arbeitskräfteüberlasser) daher für die gesamte Quarantänedauer das Entgelt fortzahlen musste und nicht nur „für eine verhältnismäßig kurze Zeit-spanne“ (= 1 Woche nach § 1154b Abs. 5 ABGB).

Praxisanmerkung:

Zum damaligen Zeitpunkt (Frühjahr 2021) herrschte noch die Rechtsansicht, dass eine österreichische Behörde die Absonderung hätte „verhängen“ müssen, damit sowohl ein Entgeltsanspruch nach dem Epidemiegesetz als auch ein Rückvergütungsanspruch für den Arbeitgeber dafür bestehen konnte.

Und weil man das so „dachte“, versuchte (natürlich) der Arbeitgeber diese ich ihn treffen-de (endgültige) Entgeltsfortzahlungslast so klein wie möglich zu halten. Wenn das Epidemiegesetz nicht anwendbar wäre (was sich im Nachhinein als „falsch“ herausgestellt hat-te), so suchte man nach einer „Entgeltsfortzahlungsbestimmung“ und wurde in § 1154b Abs. 5 ABGB (bzw. § 8 Abs. 3 AngG) fündig. Hierfür hätte es aber maximal ein Entgelt für die Dauer einer Woche und für die insgesamt 10 Tage gegeben.

Zunächst stellten sowohl der EuGH (Urteil vom 15.6.2023, C-411/22) als auch der VwGH (Erkenntnis vom 20.06.2023, Ra 2021/03/009, siehe beides in WPA 15/2023, Artikel Nr. 332/2023) fest, dass die einschränkende Anwendung der relevanten Regelungen des Epidemiegesetzes nur in Bezug auf Quarantänemaßnahmen, die von österreichischen Behörden ergriffen wurden, gemeinschaftswidrig waren und daher dem Arbeitgeber die beantragte Rückvergütung bei der österreichischen Behörde für eine von einer EU/EWR-Behörde verhängten Quarantäne zugestanden wäre.

Nun stellte der OGH fest, dass dem Arbeitnehmer (abgeleitet aus diesen beiden Entscheidungen) auch ein Entgeltsfortzahlungsanspruch für diese Zeit zugestanden war und zwar nach dem Epidemiegesetz und nicht etwa „nur“ nach § 1154b Abs. 5 ABGB. Zudem wurde fest-gehalten, dass dieser Entgeltsfortzahlungsanspruch nach dem Epidemiegesetz auch für Zeiträume vor dem 1.7.2022 ein insoweit vorrangiger Anspruch war, auf den nicht Entgeltsfortzahlungsansprüche aus anderen Rechtsquellen (§ 1154b Abs. 5 oder kollektivvertragliche Ansprüche) anrechenbar waren.
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste