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Unzulässige Betriebsvereinbarung über Kontrahierungszwang betreffend einen erweiterten Kündigungsschutz
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Unzulässige Betriebsvereinbarung über Kontrahierungszwang betreffend einen erweiterten Kündigungsschutz

OGH vom 18.10.2023, 9 ObA 65/23h
§ 97 Abs. 1 Z 22 ArbVG

So entschied der OGH:

1. Sieht eine Betriebsvereinbarung vor, dass ein gewisser erweiterter Kündigungsschutz (= Arbeitgeberkündigung nur bei Vorliegen bestimmter wichtiger Gründe und dann auch nur unter Einhaltung eines bestimmten innerbetrieblichen Prozederes) nach 10jähriger Dienstzeit als Zusatz im Arbeitsvertrag vereinbart werden muss, so bedeutet dies rechtlich einen „Kontrahierungszwang“ (Zwang zum Vertragsabschluss). Dies ist allerdings von § 97 Abs. 1 Z 22 ArbVG nicht umfasst. Insoweit liegt keine „echte“ Betriebsvereinbarung vor.

2. Zudem liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Betriebsvereinbarungsparteien zumindest schlüssig zu erkennen gegeben haben, dass sie sich an den unzulässigen Teil der Betriebsvereinbarung halten wollten.

3. Dazu kommt, dass nicht feststeht, dass der Arbeitgeber und die Gesamtheit der Arbeitnehmer durch ihr Verhalten eindeutig zu erkennen gegeben haben, dass sie sich an die Bestimmung des unzulässigen Teils der Betriebsvereinbarung halten wollen.

4. In diesem Fall liegt auch keine Betriebsübung vor, sodass der unzulässige Teil der Betriebsvereinbarung auch nicht schlüssig zum Gegenstand der Arbeitsverträge wurde.

5. Damit kann sich der gekündigte Arbeitnehmer nicht erfolgreich auf den in Betriebsvereinbarung (zu seinen Gunsten) geregelten erweiterten Kündigungsschutz berufen.


OGH zur Normwirkung von Betriebsvereinbarungen:
Nach der Bestimmung des § 97 Abs. 1 Z 22 ArbVG können Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten der „Kündigungsfristen und Gründe zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ abgeschlossen werden.
Diese Ermächtigung betrifft die Schaffung von Inhaltsnormen, also von Bestimmungen, die den typischen Inhalt des Arbeitsvertrags (= die gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer) betreffen.

Inhaltsnormen entfalten gemäß § 31 Abs 1 ArbVG Normwirkung.

Als Bestimmungen, die nicht die Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien regeln, sind sie innerhalb ihres Geltungsbereichs unmittelbar rechtsverbindlich.

Normative Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung schaffen objektives Recht.

Sie sind als Gesetze im materiellen Sinn zu qualifizieren und wirken auf die erfassten Arbeitsverhältnisse unmittelbar ein, ohne dass es zB einer Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer bedarf.

Die Normwirkung setzt allerdings voraus, dass sich die Betriebsvereinbarung im Rahmen ihrer gesetzlichen oder kollektivvertraglich eingeräumten Regelungsbefugnisse bewegt und gehörig kundgemacht ist.
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